Anderthalb Jahre ist es jetzt auch schon wieder her, dass Frank-Walter Steinmeier zum zweiten Mal Außenminister ist. Aber seither verging kein einziger Tag, ohne dass er sich mit der Ukraine beschäftigen musste. Wenn es gut läuft, hat der SPD-Mann gelernt, bekommt er das Thema lediglich einmal pro Tag auf den Tisch. Meist ist es allerdings mehr. Es läuft nicht gut in der Ukraine, den Friedensvereinbarungen von Minsk und allen Anstrengungen zum Trotz.
Für die Deutschen, die in dem Konflikt die Rolle des wichtigsten Vermittlers übernommen haben, ist das besonders mühsam. Am Freitag – nach fast einem halben Jahr Pause, zum ersten Mal überhaupt in diesem Jahr – war Steinmeier deshalb in Kiew, um sich vor Ort ein Bild von der Lage zu machen. Auf die ukrainische Führung um Präsident Petro Poroschenko und Regierungschef Arseni Jazenjuk redete er ein, die Minsk-Vereinbarungen von Mitte Februar nun endlich auch umzusetzen.
Davon ist man noch weit entfernt. Im Osten des Landes hat sich die Lage beruhigt, aber gegen den Waffenstillstand wird Tag für Tag verstoßen. Auch am Freitag gab es bei Kämpfen zwischen ukrainischen und prorussischen Truppen wieder Tote. Eben erst drohte der proeuropäische Präsident Poroschenko mit dem Kriegsrecht.
Bei praktisch allen anderen Vereinbarungen hinkt man im Zeitplan arg hinterher. Die vier Arbeitsgruppen, auf die man sich geeinigt hatte, treffen sich nun nächste Woche zum ersten Mal gemeinsam, wenigstens das. Besonders frustriert die Deutschen, dass in der Ukraine nichts von alleine geht. Steinmeier mahnte deshalb beide Seiten, zu den Abmachungen von Minsk zu stehen. „Im Moment ist das die einzige Chance, die wir haben.“
Der Außenminister stellte aber auch fest: „Der Berg an Herausforderungen ist enorm.“ Die Zahlen dazu: inzwischen mehr als 6000 Tote, etwa zwei Millionen Menschen, die ihre Heimat verloren haben, fünf Millionen Menschen, die auf humanitäre Hilfe angewiesen sind. Hunderttausende werden jeden Monat mit Zwölf-Kilo-Paketen versorgt, die Dinge wie Salz, Zucker, Mehl und Nudeln enthalten.
700 Millionen aus Deutschland
Hinzu kommt, dass die Finanzkrise der ehemaligen Sowjetrepublik immer bedrohlichere Ausmaße annimmt. Die Sorge vor einem Staatsbankrott wächst. Seit Monaten verhandelt Kiew mit internationalen Geldgebern erfolglos über eine Umschuldung. Am Donnerstag unterzeichnete Poroschenko nun ein Gesetz, mit dem das Land die Rückzahlung von Auslandsschulden per Moratorium verhindern kann.
Steinmeier legte deshalb Wert darauf, in Kiew auch Finanzministerin Natalia Jaresko zu sehen, eine erst kürzlich eingebürgerte Amerikanerin. Aus Deutschland fließen in diesem Jahr allein 700 Millionen Euro an bilateralen Finanzhilfen.
Passenderweise steht am Samstag für den Außenminister noch ein Besuch in Dnipropetrowsk auf dem Programm, wo auch Steinmeier noch nie war. Die Millionenstadt liegt in unmittelbarer Nachbarschaft der Konfliktgebiete Luhansk und Donezk. Sie gilt aber auch als das Finanzzentrum der Ukraine. Foto: afp