Der Händedruck ist herzlich, als Frank-Walter Steinmeier vor dem deutschen Generalkonsulat Radoslaw Sikorski in Empfang nimmt. Der deutsche und der polnische Außenminister müssen sich erst unter vier Augen beraten. Später treffen sie in St. Petersburg mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow zusammen.
Das Sechs-Augen-Gespräch dauert über eine Stunde länger als geplant. Sikorski sagt, man nehme wohlwollend zur Kenntnis, dass die russische Seite ein Vorgehen wie auf der Krim nicht wiederholen wolle. Lawrow lacht an dieser Stelle auf. Warum auch immer. Steinmeier orientiert sich an der Kanzlerin, die beim Treffen mit Präsident Wladimir Putin in der Normandie einen maßregelnden Blick aufsetzte. Steinmeier schaut grimmig und sagt: „Es ist gut zu hören, dass Russland betont, es gebe kein Interesse an einer neuen Spaltung in Europa.“
Es ist Steinmeiers erste Russland-Visite seit dem Antrittsbesuch im Februar. Damals sprach er von einer „Positiv-Agenda“, die die Interessen Russlands und Deutschlands bündeln solle. Es folgte das Gegenteil, hektische Krisendiplomatie setzte ein, 13 Treffen Steinmeiers zum Ukraine-Konflikt listet das Auswärtige Amt auf. Das Treffen am Dienstag findet nur statt, weil sich der russische Ton seit Mitte Mai in der Wahrnehmung des Westens gewandelt hat. Steinmeier schlägt ein gemeinsames Grenzkontrollsystem vor, um das Einsickern von Kämpfern in die Ostukraine zu unterbinden.
Signale für eine Wende
Lawrow pocht erst mal auf ein Ende der ukrainischen Militäraktion. „Das ist der Schlüssel zur Deeskalation. Niemand hat ein Interesse, dass der Krieg noch länger andauert.“ Insgesamt, meint Steinmeier, gebe es Licht am Ende des Tunnels. Sikorski unterstreicht die Bedeutung der Präsidentenwahl – der neue Präsident Petro Poroschenko sei in der Lage, „das Land zusammenzuhalten“. Dessen Wunsch nach einer Waffenruhe und das scheinbare Abfinden Moskaus mit seiner Wahl werden im Westen als gute Signale für eine Wende gewertet.
Weiter ungelöst ist der Gasstreit, dieser könnte mit Milliardenhilfen von EU oder IWF beendet werden. Eine Lösung könnte hilfreich sein für mehr Kooperation Russlands bei der Deeskalation in der Ostukraine. Der Energieriese Gazprom beziffert die Schulden der Ukraine auf 4,44 Milliarden US-Dollar.