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Standpunkt: Vom Provisorium zur Dauerlösung
Rudi Wais
Rudi Wais
 |  aktualisiert: 04.03.2015 18:51 Uhr

Um seine Kriegsflotte zu finanzieren und den heutigen Nord-Ostsee-Kanal zu bauen, brauchte Kaiser Wilhelm II. dringend Geld – und ordnete daher die Einführung einer neuen Steuer an. Bei einer starken Steigerung der Ausgaben für die Wehrkraft, heißt es kurz darauf in einem Beschluss des Reichstages, müsse auch „der Schaumwein herangezogen werden“.

Mehr als 100 Jahre später ist Deutschland ein wohlhabendes Land – die Sektsteuer aber, die 1902 für einen klar umrissenen Zweck eingeführt wurde, gibt es noch immer. Ihre Rolle als Paradebeispiel für ein Provisorium, das zur Dauerlösung wird, macht ihr inzwischen der Solidaritätszuschlag streitig, bei dem auch mehr als 25 Jahre nach dem Fall der Mauer kein Ende in Sicht ist. Im ungünstigsten Fall wird er zwar Ende 2019 abgeschafft, im Gegenzug dafür aber die Einkommenssteuer erhöht. An Helmut Kohls Versprechen, mit Ablauf des Jahres 1999 sei mit dem Zuschlag „endgültig“ Schluss, erinnert sich auch einer der Architekten der Einheit nicht mehr, der heutige Finanzminister Wolfgang Schäuble.

Durch den sogenannten Solidarpakt II erhalten die neuen Länder in den Jahren 2005 bis 2019 noch einmal 156 Milliarden Euro für den Aufbau Ost. Im gleichen Zeitraum nimmt der Bund, vorsichtig geschätzt, an die 200 Milliarden aus dem Solidaritätszuschlag ein. Niemand erwartet, dass der „Soli“ von einem Tag auf den anderen abgeschafft wird. Den Einstieg in den Ausstieg aber sollte eine Koalition mit den Mehrheiten der gegenwärtigen schon hinbekommen.

Tatsächlich gibt es im Moment nur eine Partei, die so denkt – und die ist im Herbst 2013 auch deshalb aus dem Bundestag geflogen, weil sie ihren Wählern niedrigere Steuern versprochen hatte, dieses Versprechen aber nicht einlösen konnte. Union und SPD haben im Gegensatz zur FDP gar kein Interesse daran, den Steuerstaat auf Diät zu setzen. Sie brauchen ein hohes Steueraufkommen, um Wahlversprechen wie die Mütterrente oder die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren finanzieren zu können.

Für Schäuble ist der Solidaritätszuschlag schon lange kein Ausdruck der Solidarität mit den neuen Ländern mehr, sondern nur noch eines: Mittel zum Zweck. Der ausgeglichene Haushalt, auf den er so stolz ist, ist auch mit den Milliarden aus dem „Soli“ erkauft. So geht es dem Zuschlag wie der Sektsteuer des klammen Kaisers: Mit jedem Jahr wird es schwerer, ihn abzuschaffen.

 
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