Das Reform- und Sparpaket, über das die Abgeordneten in Athen an diesem Mittwoch abstimmen, wird Griechenland verändern. Entweder das Land nutzt diese Chance zur Modernisierung seiner wirtschaftlichen Strukturen und zur Konsolidierung der Staatsfinanzen. Das wäre der Weg in eine bessere Zukunft. Oder auch dieser Anlauf scheitert. Dann wären die Tage der Griechen in der Währungsunion und wohl auch in der EU gezählt.
Die Reformauflagen, die mit dem dritten Rettungspaket verbunden sind, enthalten nichts wirklich Neues. Die meisten Vorgaben liegen schon lange auf dem Tisch, wurden aber bisher nicht abgearbeitet. Ein Beispiel dafür : Die Rentenreform. Griechenland hat die ungünstigste demografische Entwicklung aller Euro-Länder. Schon deshalb kann sich das Land den Luxus der zahlreichen Früh-Verrentungen nicht länger leisten. Aber kaum ein Politiker wagt es, diese unbequeme Wahrheit auszusprechen. Ein anderes Beispiel: Die Öffnung der so genannten „geschlossenen Berufe“, deren Ausübung bisher strikt reguliert ist. So schotten sich ganze Berufsgruppen vom Wettbewerb ab. Eine Deregulierung würde Wachstumsimpulse geben und neue Arbeitsplätze schaffen. Aber die Politiker scheuen den Konflikt mit den Berufsverbänden und Gewerkschaften.
Nun verspricht ausgerechnet Alexis Tsipras die lange überfälligen Einschnitte. Aus dem kommunistischen Revoluzzer ist ein Reformer geworden – allerdings wider Willen. Denn aus Überzeugung stimmte er dem in Brüssel geschnürten Paket sicher nicht zu. Es wurde ihm aufgezwungen. Tsipras ist weder mit dem Verstand noch mit dem Herzen bei der Sache. Er handelt nicht aus Mut, sondern aus Angst. Er will nicht als jener Premier in die Geschichte eingehen, der Griechenland gegen den Willen der großen Mehrheit der Bevölkerung zurück zur Drachme führt. Tsipras weiß: Die ökonomische und humanitäre Katastrophe, die dem Land bei einem Staatsbankrott und einem Grexit bevorsteht, würde ihn, würde jede Regierung überfordern.
Griechenlands größtes Handicap ist der desolate Zustand seines politischen Systems. Es dient nicht der Summe der Gesellschaft sondern den Interessen einflussreicher Gruppen. So lange sich an diesen Strukturen nichts ändert, werden noch so großzügige Hilfspakete wenig bewirken.