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Standpunkt: Statistik mit Tücken
Von Bernhard Junginger red.politik@mainpost.de
 |  aktualisiert: 11.12.2019 16:42 Uhr

Es ist erfreulich, wenn Bundesinnenminister Horst Seehofer von der niedrigsten Zahl der Straftaten seit Jahrzehnten berichten kann. Doch die polizeiliche Kriminalstatistik ist seit jeher mit Vorsicht zu genießen. Viele Delikte tauchen nämlich gar nicht erst in der Statistik auf. Etwa, weil Opfer gar keine Anzeige erstatten. Wer bestohlen wurde und weder versichert ist, noch der Polizei überhaupt zutraut, sein Hab und Gut wiederzubeschaffen, geht nicht aufs Revier.

Was gut ist für die Kriminalstatistik, in Wirklichkeit aber nur für mangelndes Vertrauen in die Behörden spricht. Gleichzeitig gibt es Straftaten, die früher einmal als Kavaliersdelikte galten, nun aber viel häufiger angezeigt werden. Zudem ändert sich das Strafrecht laufend, so dass die Häufigkeit vieler Delikte über die Jahre hinweg kaum vergleichbar ist.

Dann gibt es Bereiche wie den Drogenhandel, wo es für die Fallzahlen entscheidend ist, wie viel die Polizei kontrolliert. In der Regel zeigt ja kein Rauschgiftkonsument seinen Dealer an. Niedrige Fallzahlen im Jahresbericht sprechen also bei solchen „Kontrolldelikten“ nicht unbedingt für eine heile Welt.

Wenn die Zahl der Einbrüche auch deshalb zurückgeht, weil viele Bürger sich so unsicher fühlen, dass sie ihre Wohnungen zu Hochsicherheitstrakten machen, dann ist das ebenfalls kein Ruhmesblatt für die Politik. Es darf nicht sein, dass die persönliche Sicherheit zur Frage des Geldbeutels wird.

Unauffällige Gesamtwerte in der Statistik können mitunter bedeuten, dass die einen Gegenden sicherer werden, in anderen aber Kriminalität an der Tagesordnung ist. Fallzahlen sagen zudem wenig über das Maß der Bedrohung für den Bürger einer bestimmten Stadt oder Region aus. Ein Mord oder Totschlag schlägt sich in der Gesamtzahl der Straftaten genauso nieder wie ein Kaugummi-Diebstahl. Die Liste der Mängel an der Kriminalstatistik lässt sich fortsetzen. So bildet sie zunächst einmal nur Verdachtsfälle ab, nicht aber Verurteilungen vor Gericht. Und die Aufklärungsquote sagt nichts aus über die Zahl der verurteilten Täter.

 
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