Bislang war der Alterspräsident des Bundestages immer der älteste Abgeordnete. Ihm oblag die Aufgabe, die Auftaktsitzung des neu gewählten Parlaments zu eröffnen. Künftig ist das anders: Entscheidend für die Position sind nicht mehr die Lebensjahre, sondern die Dienstjahre der Abgeordneten. Die Änderung der Geschäftsordnung hat der Bundestag jetzt zu nachtschlafender Zeit beschlossen. Und damit der Demokratie einen Bärendienst erwiesen.
Die Regelung soll sicherstellen, dass die konstituierende Sitzung von einem Abgeordneten mit ausreichender Erfahrung geleitet wird, heißt es offiziell bei Union und SPD. Doch die wirkliche Begründung ist eine andere: Die Änderung soll verhindern, dass mit dem früheren Vertriebenenfunktionär Wilhelm von Gottberg (77) ein AfD-Politiker das prestigeträchtige Amt bekommt. Nun läuft es wahrscheinlich auf Wolfgang Schäuble hinaus. Der 75-Jährige sitzt seit 1972 für die CDU im Bundestag.
Nichts gegen Schäuble, aber diese Neuregelung trägt dazu bei, dass sich die AfD einmal mehr in der Opfer- und Märtyrerrolle suhlen kann. Statt die AfD politisch zu bekämpfen, versuchen die Großkoalitionäre mit Taschenspielertricks die unbeliebten Rechten auszubremsen. Solch Kleingeist macht die Partei von Gauland, Höcke und Co. größer als sie ist. Gut, dass wenigstens die Grünen gegen diese „Lex AfD“ gestimmt haben.
Die Eröffnungsrede eines Rechtspopulisten wäre eine Zumutung für alle Demokraten. Aber die Republik ist stark und wehrhaft genug, um eine solche Provokation auszuhalten.