Aus der an Bildern reichen Sprache der Sicherheitspolitiker ist es nicht wegzudenken: das Visier. Meist geht es nicht etwa um den aufklappbaren Gesichtsschutz am Motorrad- oder Ritterhelm – es sei denn, es will mal wieder jemand einer Gefahr „mit offenem Visier“ gegenübertreten. Nein, gemeint ist in aller Regel die Zieleinrichtung einer Feuerwaffe. Im Kampf gegen Terrorismus sollen immer mehr Bürger noch stärker, noch umfassender ins Visier genommen werden. Auch minderjährige Islamisten gehören für Bayerns Innenmister Joachim Herrmann hinein. Doch mit guten Zieleinrichtungen ist es längst nicht getan.
Anis Amri konnte auf dem Berliner Weihnachtsmarkt mit einem gestohlenen Lastwagen ein Blutbad mit zwölf Todesopfern anrichten, obwohl er monatelang mittendrin stand im Visier der Behörden. Auch in Großbritannien, wo ein Maß an Überwachung möglich ist, von dem deutsche Innenminister nur träumen können, standen islamistische Attentäter meist schon längst im Visier. All das zeigt: Ein Visier ist wirksam als Zielfernrohr auf einer Waffe. Gemeint sind vor allem die Waffen des Rechts – den Gebrauch echter Waffen sieht der Rechtsstaat ja zum Glück nur als letztes Mittel zur Gefahrenabwehr vor. Doch auch hier gilt: So schlecht sind die vorhandenen Instrumente gar nicht.
Nur krankt es wie im Fall Amri oft daran, dass sie niemand konsequent benutzt – obwohl der Blick durchs Zielfernrohr höchste Gefahr erkennen lässt. Augenscheinlich liegt das Hauptproblem weder bei den Waffen noch beim Visier. Statt über immer neue Überwachungsmöglichkeiten und Strafandrohungen sollte mehr über Organisationsformen und Verantwortlichkeiten diskutiert werden. Und zwar ohne Denkverbote.
Dass etwa die diversen Geheimdienste von Bund und Ländern zu einer einzigen Behörde zusammengefasst werden, forderte zu Jahresbeginn Bundesinnenminister Thomas de Maiziere. Jetzt greifen den Vorschlag die Grünen auf, die ja mit Forderungen nach mehr Sicherheit noch nicht sehr lange auf dem Markt sind. Wenn dieselbe Idee aus so unterschiedlichen Richtungen kommt, ist das Grund genug, sie einmal genauer ins Visier zu nehmen.