In vielen römischen Bars hängen Fotos vom Papst. Die meisten Barbesitzer haben ein Bild von Franziskus aufgehängt. Einige auch eines von Johannes Paul II. Aber Benedikt XVI. findet man nirgends. Diese Bestandsaufnahme spiegelt die Wirkung des deutschen Papstes nicht nur in Italien wider, auch im Rest der Welt empfand man Joseph Ratzinger wohl sehr ähnlich: unnahbar, wenig charismatisch, ohne Talent zur Kommunikation. Er blieb den Menschen fremd. Vor einem Jahr, am 11. Februar 2013, kündigte Benedikt XVI. seinen Rücktritt an. Zu so einem Schritt braucht man Mut, besonders als Papst. 700 Jahre lang hatte kein katholisches Kirchenoberhaupt mehr auf sein Amt verzichtet. Der Akt, der eigentlich gar nicht zu den Eigenschaften passt, die man Benedikt gemeinhin zuschreibt, bleibt auch in der Rückschau einzigartig.
In der Öffentlichkeit, auch in weiten Teilen der katholischen Welt, ist von Benedikt das Bild eines rückwärtsgewandten Bewahrers haften geblieben, der die Aussöhnung mit der reaktionären Piusbruderschaft suchte, die tridentinische Messe aufwertete und schließlich von Skandalen und Intrigen aufgerieben wurde. Dass er deutlich gegen Kindesmissbrauch durch Priester Stellung bezog und als erster Papst in der Vatikanbank aufzuräumen begann, wird leicht übergangen. Dennoch war Ratzingers Interesse stark auf das Innenleben der Kirche konzentriert. Eigentlich ist das auch die originäre Aufgabe eines Papstes, als Hirte der Weltkirche für die Einheit seiner 1,2 Milliarden Mitglieder umfassenden Gemeinde zu sorgen. Benedikt polarisierte aber paradoxerweise gerade deshalb, weil er seinen Blick so sehr nach innen gerichtet und die Welt anscheinend aus den Augen verloren hatte.
In diesem Zusammenhang ist die Wahl seines Nachfolgers Franziskus aufschlussreich. Auch wenn die Kardinäle zuweilen selbst überrascht von der Energie des Argentiniers sind, haben sie mit der Wahl Jorge Mario Bergoglios in dieser Hinsicht einen Kontrapunkt zu Ratzinger gesetzt. Ein Papst, so bestimmte das Konklave implizit mit der Wahl Bergoglios, muss vor allem auch die Welt im Blick haben. Die Kirche und ihre Traditionen dabei vergessen darf er nicht.
Dabei gehört es zur Natur der katholischen Kirche, in der Öffentlichkeit auch anzuecken. Sie ist kein Glaubensverein, sondern beansprucht eine theologische Wahrheit, die zwangsläufig mit dem Zeitgeist in Konkurrenz treten muss. Das bedeutet aber nicht, dass sich die 2000 Jahre alte katholische Kirche nicht verändern kann. Benedikt XVI. selbst hat es vor einem Jahr vorgemacht.