Die Reformer haben Recht: Diese Union verschreckt durch ein unübersichtliches Gefüge von Kompetenzen und Zuständigkeiten. Es gibt drei Präsidenten, drei Institutionen – und einen EU-Gipfel, der zwar mächtig scheint, aber eigentlich keine Gesetzeskraft hat. Daneben eine fast schon autonom agierende Euro-Gruppe sowie etliche EU-Agenturen. In der Kommission treten sich 28 Mitglieder dieser Führungsriege gegenseitig auf die Füße.
Junckers Idee von herausgehobenen Vizepräsidenten, die mehrere Fach-Kommissare anleiten, hat an dem Wirrwarr nicht viel ändern können. So beeindruckt man keinen Bürger. Mit so viel Intransparenz motiviert Europa keine Wähler. Brüssels Machtzentren sind schwer zu durchschauen und noch weniger zu verstehen. Der Kommissionspräsident hat Recht, wenn er nun sein Erbe ordnen will und dabei zwar keinen Kahlschlag, wohl aber ein neues Format angeht.
Ein EU-Präsident, der den Staats- und Regierungschefs vorsitzt und die oberste EU-Behörde leitet – das macht Sinn. Eine Verkleinerung der Kommission auf 16 oder 18 Mitglieder wäre überfällig, aber politisch nicht durchsetzbar. Welches EU-Mitglied will schon auf „seinen“ Vertreter in der Führungsriege verzichten? Aber so darf es nicht weitergehen.
Das Spitzenkandidaten-Modell mag vor vier Jahren kaum mehr als ein Testlauf gewesen sein – übrigens einer, der kaum mehr Stimmberechtigte zur Wahl animiert hat. Nun könnte es besser werden, wenn der Wahlsieger nicht einfach nur einen Top-Job bekommt, sondern sich auch regierungsfähige Mehrheiten in den Fraktionen des Parlaments suchen muss.
Der eigentliche Fortschritt dieser Operation liegt nicht nur im demokratischen Mehr, sondern vor allem darin, dass der Eindruck abgestellt wird, die EU kungele ihr Spitzenpersonal in Hinterzimmern aus. So falsch war das Bild nämlich lange nicht.
Dies führt zu europäischer Politikverdrossenheit und liefert den Europa-Skeptikern und -Gegnern ungewollt Munition.