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Standpunkt: Autobauer müssen das Lenkrad herumreißen
Bernhard Junginger
 |  aktualisiert: 07.03.2018 03:10 Uhr

Es ist ein schwerer Schlag für Millionen Fahrer von Dieselautos in Deutschland – mit dem historischen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig scheinen Fahrverbote in vielen Städten unausweichlich. Selbst ziemlich neue Dieselautos würden dadurch gewaltig an Wert verlieren.

Unzählige Pendler und Handwerker, die beim Autokauf auf den als so sauber wie wirtschaftlich geltenden Dieselantrieb gesetzt haben, wären die Gelackmeierten, weil Autobauer sie täuschten und die Politik zu lange untätig war. Die Abgasgrenzwerte in vielen Städten, die ja die Staaten der Europäische Union gemeinsam festgelegt haben, waren nicht zu halten, denn Hersteller haben bei Millionen Wagen eine Betrugssoftware eingesetzt.

Nur auf dem Prüfstand waren die Autos so sauber wie vorgeschrieben. Da die Autoindustrie mit ihren rund 800 000 Beschäftigten aber ein Eckpfeiler der deutschen Wirtschaft ist, sahen die Verantwortlichen in den Ministerien und Behörden allzu bereitwillig weg. Auch die Angst, dass sich der Zorn enttäuschter Dieselfahrer an der Wahlurne Bahn bricht, hat einen konsequenten Einsatz für saubere Luft – etwa durch eine Einführung der „blauen Plakette“ verhindert.

Doch die Politik trägt eben auch Verantwortung für die Menschen, die in besonders belasteten Innenstadtbereichen wohnen, arbeiten oder mit welchem Verkehrsmittel auch immer unterwegs sind. Sie verfügen nicht über den Einfluss der Autolobby, die geschickt mit der Angst vor Arbeitsplatzabbau spielt, um ihre finanziellen Interessen zu sichern.

Auf lange Sicht hilft es der Autoindustrie aber gerade nicht, wenn die Politik ihr selbst die dreistesten Schummeleien durchgehen lässt. Der hervorragende Ruf, den sich deutsche Autos in aller Welt erworben haben, ist im Dieselskandal massiv angekratzt worden. In Zukunft wird es nicht mehr reichen, dass ein Auto schnell, sicher und gut ausgestattet ist. Zeitgemäße Mobilität muss sauber und umweltfreundlich sein. Autohersteller, die sich diesem Anspruch verweigern, sägen am Ast, auf dem sie sitzen. Selbst wenn es nach dem Leipziger Urteil gar nicht oder nur vereinzelt zu Fahrverboten kommen sollte – immer weniger Autokäufer werden sich künftig für einen Selbstzünder entscheiden.

In vielen Metropolen der Welt sind die Auswirkungen der Luftverschmutzung durch den Autoverkehr gravierend, Fahrverbote für Autos mit Verbrennungsmotor werden immer häufiger. Viele Länder setzen bereits jetzt in weitaus stärkerem Maß auf Fahrzeuge mit Elektroantrieb, als Deutschland dies tut. Allen voran China, der größte Automarkt weltweit. Nur wenn die deutschen Autobauer jetzt beherzt das Lenkrad herumreißen und sich zu ihrer Verantwortung bekennen, können sie den ganz großen Crash vermeiden. Das bedeutet: Umrüstung aller Schummel-Diesel, sofort, wenn nötig und möglich auch durch Hardware-Updates – natürlich auf Kosten der Hersteller.

 
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