Die Bundesregierung ist über den Spionageverdacht gegen die USA erschüttert. Es gebe bei der Frage, wie Sicherheit und Freiheitsrechte in Einklang zu bringen seien, „tief greifende Meinungsverschiedenheiten“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin.
Die Partnerschaft zwischen Deutschland und den USA sei historisch begründet und habe auch im Alltag 2014 große Bedeutung, etwa bei der Abstimmung über das Vorgehen in der Ukraine-Krise. „Aber diese tief greifende Meinungsverschiedenheit geht an das Vertrauen dieser Partnerschaft.“ Seibert machte deutlich, dass die USA vermutlich alle von ihnen gewünschten Informationen auf direktem Wege von der Bundesregierung bekommen könnten.
Wegen der Spionageaffäre wurde am Mittwoch auch der US-Botschafter in Berlin, John B. Emerson, im Auswärtigen Amt vorstellig. Die Initiative für das Gespräch sei vom Botschafter ausgegangen, teilten Außenministerium und Botschaft übereinstimmend mit. Zum Inhalt machten beide Seiten keine Angaben. Zu Spekulationen, dass die USA von sich aus den Abzug von Geheimdienstlern aus ihrer Botschaft angeboten haben, sagte Ministeriumssprecher Martin Schäfer nur: „Mir ist so etwas nicht bekannt.“
Zuvor hatte sich die Spionageaffäre mit den USA ausgeweitet: Die Bundesanwaltschaft bestätigte am Mittwoch, dass gegen einen weiteren mutmaßlichen Spion ermittelt wird. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa und der „Süddeutschen Zeitung“ soll er ebenfalls für einen amerikanischen Geheimdienst gearbeitet haben. Offenbar gibt es jedoch keinen Zusammenhang zu der Affäre um einen Beamten des Bundesnachrichtendienstes (BND), der für die CIA spioniert haben soll.
Der mutmaßliche Spion im Zuständigkeitsbereich des Verteidigungsministerium wurde nach Informationen der Zeitung „Die Welt“ vom Militärischen Abschirmdienst (MAD) entdeckt. Der Soldat sei vor einiger Zeit durch intensive Kontakte mit mutmaßlichen US-Geheimdienstlern ins Visier des Militär-Geheimdienstes geraten. Er sei „im Umfeld des Verteidigungsministeriums“ tätig gewesen. Das Ministerium wollte nicht sagen, ob es sich bei dem Verdächtigen um einen Soldaten oder einen Zivilisten handelt. „Wir nehmen den Fall sehr ernst“, sagte ein Sprecher aber.
Nach Angaben der Bundesanwaltschaft besteht der „Anfangsverdacht der geheimdienstlichen Agententätigkeit“. Eine Festnahme gab es zunächst nicht. Die Behörde ließ offen, für welches Land der Verdächtige gearbeitet haben soll.
Nach einem Bericht der „New York Times“ wusste US-Präsident Barack Obama bei einem Telefonat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am vergangenen Donnerstag über den Verdacht gegen den BND-Mann noch nicht Bescheid. Im Weißen Haus sei man „frustriert“, dass die CIA den Präsidenten nicht unterrichtet habe. Zudem wachse die Sorge, dass die Spionagevorwürfe die Beziehungen mit Deutschland belasten könnten.
Nach Informationen von „Spiegel Online“ gab es inzwischen auch ein Telefonat von CIA-Chef John Brennan mit dem Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt, Klaus-Peter Fritsche. Über den Inhalt des Gesprächs hüllten sich beide Seiten in Schweigen. Der BND-Mann steht unter Verdacht, Dokumente für 25 000 Euro an US-Geheimdienste verkauft zu haben.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) äußerte sich abermals verärgert. „Der Versuch, mit konspirativen Methoden etwas über die Haltung Deutschlands zu erfahren, gehört sich nicht nur nicht, es ist auch völlig überflüssig.“ Niemand verberge seine Positionen. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Norbert Röttgen (CDU), sprach im ZDF von „Dummheiten“ der US-Dienste, mit denen „wirklicher außenpolitischer Schaden“ angerichtet werde.