Es war nicht ganz eindeutig, wer da mit einem abwesenden Lächeln am Montagvormittag auf dem römischen Flughafen Ciampino landete: ein zu lebenslanger Haft verurteilter Ex-Terrorist, der jahrzehntelang vor seiner Bestrafung weg gelaufen war oder ein menschliches Wrack? 37 Jahre nach seiner Flucht aus einem italienischen Provinzgefängnis kehrte der 64-jährige Cesare Battisti am Montag nicht nur in seine Heimat Italien, sondern in die Hände der italienischen Polizei zurück. „Heute sagen wir der Welt, dass sich niemand der italienischen Justiz entziehen kann“, sagte Justizminister Alfonso Bonafede. „Ich warte seit 37 Jahren auf diesen Moment, das ist ein großer Tag für Italien“, behauptete Innenminister Matteo Salvini. Beide waren als Augenzeugen zur Landung Battistis am römischen Flughafen Ciampino gekommen.
Der ehemalige Linksterrorist war 1991 in Abwesenheit letztinstanzlich für vier Ende der 70er Jahre begangene Morde zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Battisti gestand, ein Mitglied der „Bewaffneten Proletarier für den Kommunismus“ gewesen zu sein, bestreitet aber bis heute, die Morde an einem Juwelier, einem Metzger und zwei Polizisten begangen zu haben. Erst in der Haft soll der frühere Kleinkriminelle sich den Extremisten angeschlossen haben. 1991 war Battisti bereits seit zehn Jahren auf der Flucht. Dass er eines Tages wieder ein italienisches Gefängnis betreten würde, war lange Zeit nicht absehbar. Seine Flucht und sein immer wieder von ihm selbst zur Schau gestelltes Leben in der Ferne provozierten auch bei der Rückkehr extreme Reaktionen. Als „kommunistischen Mörder, Verbrecher, Widerling, Feigling, der nie um Entschuldigung gebeten hat“, bezeichnete ihn der Innenminister. Salvini sagte außerdem, Battisti möge „in der Haft verfaulen“. In seiner krassen Wortwahl fühlte sich der Innenministers offenbar von tief liegenden Reflexen im Volk legitimiert.
Nach seiner Flucht in Italien überquerte Battisti zu Fuß die Alpen und setzte sich nach Frankreich und später nach Mexiko ab. Als der damalige französische Präsident Francois Mitterand 1990 politisches Asyl für italienische Linksterroristen der sogenannten bleiernen Jahre anbot, suchte Battisti Zuflucht in Frankreich und baute sich eine Existenz als erfolgreicher Krimi-Schriftsteller auf, der eigene Erlebnisse mit Fiktion vermischte und 15 Bücher veröffentlichte. Dass ihn Linksintellektuelle als Opfer der italienischen Justiz verteidigten, empörte nicht nur die Angehörigen der Ermordeten. Battisti ließ sich bis zuletzt willig als Spielball der Ideologien instrumentalisieren. Als der französische Innenminister und spätere Präsident Nicholas Sarkozy Battisti im Jahr 2004 an Italien ausliefern wollte, setzte sich der Italiener nach Brasilien ab. Dort genoss er jahrelang politischen Schutz durch die Links-Regierungen von Luiz Inácio Lula da Silva und Dilma Rousseff.
Unter anderem in Folge des Machtwechsels in Brasilien und der Vereidigung des Rechtspopulisten Jair Bolsonaro Anfang Januar flüchtete Battisti zuletzt nach Bolivien. Die Regierung des Sozialisten Evo Morales bot ihm allerdings keinen ausreichenden Schutz. Am Samstag nahmen ihn italienische, bolivianische und brasilianische Polizisten in der Stadt Santa Cruz de la Sierra fest, wo sie den Ex-Terroristen tagelang beschattet hatten. Nach Verhandlungen zwischen La Paz, Rom und Brasilia entsandte die italienische Regierung ein Flugzeug, das Battisti am Montag nach Italien brachte. Dort meldeten sich dann auch die Angehörigen der mutmaßlichen Opfer Battistis zu Wort. „Papa ruht nun in Frieden“, sagte Adriano Sabbadin, der Sohn des 1979 von den „Bewaffneten Proletariern“ erschossenen Metzgers. Alberto Torregiani, dessen Vater, ein Juwelier, laut Justiz 1979 von Battisti ermordet wurde, und der selbst seit dem Attentat im Rollstuhl sitzt, sagte laut La Repubblica: „Die Wunden heilen sehr langsam.“ Battisti hätte vor vielen Jahren ausgeliefert werden müssen. „Jetzt ist es spät, ich bin erschöpft und fühle mich leer.“