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BERLIN/WIEN
Spaltet Putin die Koalition?
Putin-Verehrung in Russland: In Sankt Petersburg bieten Souvenirverkäufer Schokoladetafeln mit dem Konterfei des Kremlchefs an.
Foto: imago | Putin-Verehrung in Russland: In Sankt Petersburg bieten Souvenirverkäufer Schokoladetafeln mit dem Konterfei des Kremlchefs an.
Rudi Wais
Rudi Wais
 |  aktualisiert: 16.11.2015 16:07 Uhr

Sigmar Gabriel muss ein wenig schmunzeln, er hat nur auf die Frage nach den Einlassungen von Horst Seehofer gewartet. Dem Außenminister Nebenaußenpolitik zu unterstellen, sei „eine besondere Art von Humor“, meint der SPD-Vorsitzende am Montag in Berlin. Er kennt CSU-Chef Seehofer sehr gut, man duzt sich. Seehofer ist bekannt dafür, vor Koalitionstreffen zu zündeln. Nun hat er aber ein sehr sensibles Feld ins Visier genommen, den Umgang mit Russland. „Wenn Herr Steinmeier eine eigene Diplomatie neben der Bundeskanzlerin betreibt, so wäre das brandgefährlich“, ließ er via „Spiegel“ mit Blick auf den Außenminister der SPD verlauten.

Gabriel hat kurzfristig anstelle von Generalsekretärin Yasmin Fahimi die Pressekonferenz nach der SPD-Vorstandssitzung übernommen. Beim Koalitionstreffen im Kanzleramt heute Abend werde er aber keine Zeit haben, sich „mit Nebensächlichkeiten zu befassen“, sagt er zu Seehofers Ruf nach einer Klarstellung. „Ich habe das am Anfang nicht ganz einordnen können, ob das eine ironische Bemerkung sein soll“, so Gabriel. Gibt es nun einen unterschiedlichen Kurs im Umgang mit Präsident Wladimir Putin?

Sicher war die Wortwahl der Kanzlerin nach dem frustrierenden G-20-Gipfel in Australien schärfer als sonst. Sie warnte vor einem „Flächenbrand“ in Europa durch Russlands Vorgehen und der Wiederkehr des Denkens in Einflusssphären. Aber in der Sache, betonen hochrangige Regierungskreise, gebe es keinen Dissens. „Von Beginn an haben die Bundeskanzlerin und der Außenminister in der Krise der Ukraine am gleichen Strang gezogen“, sagt Regierungssprecher Steffen Seibert. Es gebe eine Ukraine- und Russlandpolitik „aus einem Guss“.

Der Russlandbeauftragte Gernot Erler (SPD), betonte, Merkel habe rund 40 Mal mit Putin gesprochen und beim G-20-Gipfel in Brisbane vier Stunden ergebnislos mit ihm verhandelt. Von dieser Frustration habe ihr harscher Ton hergerührt bei der Rede in Sydney. Aber es zeigt sich: Es gibt womöglich feine Risse, das zeigt auch die Debatte um die Neuausrichtung des Petersburger Dialogs, der russlandkritischer werden könnte. Und bei dem der Vorsitzende des Deutsch-Russischen Forums, der frühere SPD-Chef und Steinmeier-Vertraute Matthias Platzeck, ausgebootet werden könnte. Er hatte mit Aussagen, die russische Annexion der Krim nachträglich zu legalisieren, für Kritik vor allem auch bei der Union gesorgt.

Steinmeier selbst hatte für Seehofer nur einen kurzen Kommentar. „Das gibt’s, glaube ich, in keinem Land der Welt, dass der Außenminister vor einer Außenpolitik gewarnt wird. Dafür ist er zuständig nach meinem Dafürhalten.“ Steinmeier warnt seit Monaten davor, Diplomatie, das ständige Verhandeln verächtlich zu machen. Er will im Gespräch bleiben – auch mit unberechenbaren Partnern. Der Außenminister war am Wochenende bei den Atomverhandlungen mit dem Iran in Wien arg beschäftigt.

Übrigens, nur am Rande: In Wien gab es auch wieder mehrere Treffen mit dem russischen Kollegen Sergej Lawrow. Bei den Gesprächen mit Teheran saßen sich die beiden ausnahmsweise einmal nicht gegenüber, sondern gemeinsam auf einer Seite. Mehrfach schon hat Steinmeier die Russen für eine „konstruktive Rolle“ bei den Iran-Gesprächen gelobt. Lawrow gab sich, wie schon vergangene Woche in Moskau, besonders herzlich. Klar ist, dass Moskau die Berichte über vermeintliche Risse in der deutschen Russland-Politik wunderbar ins Geschäft passen.

Umso mehr sind Steinmeiers Leute damit beschäftigt, die Geschichte über Differenzen zwischen ihrem Chef und Merkel aus der Welt zu schaffen. Beide wissen, dass die Außenwirkung fatal wäre, wenn sich ausgerechnet die Deutschen über ihren Kurs gegenüber Moskau öffentlich zerstritten.

 
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