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PARIS
Späte Würdigung der Nazi-Jäger
FRANCE-GERMANY-KLARSFELD-AWARD-MERIT       -  Serge und Beate Klarsfeld
Foto: afp | Serge und Beate Klarsfeld
reda
 |  aktualisiert: 11.12.2019 19:02 Uhr

Es ist ein erstaunlicher Weg von der öffentlichen Ohrfeige für einen Bundeskanzler bis zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes. Dabei hängt beides zusammen. Beate und Serge Klarsfeld erhielten am Montag die höchste Auszeichnung Deutschlands für diese radikale Unerbittlichkeit, mit der sie ihr Leben lang ehemalige NS-Funktionäre verfolgt haben. Und mit der Beate Klarsfeld im Herbst 1968 im Alter von 29 Jahren auch dem damaligen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger, einem früheren Mitglied der NSDAP, bei einem CDU-Parteitag ins Gesicht schlug. Sie wurde zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, die Strafe wurde aber später in vier Monate Bewährung umgewandelt.

Die 76-jährige Klarsfeld selbst sprach am Montag von einer „großen Genugtuung“; diese hatte ihr das Auswärtige Amt in den letzten Jahren zweimal verwehrt. Auch galt Beate Klarsfelds Kandidatur für das Bundespräsidenten-Amt 2012, bei der die Linkspartei sie unterstützte, als aussichtslos.

Sie ist als moralisches Gewissen nicht nur weniger bekannt als in Frankreich, wo sie lebt, sondern auch umstrittener; wohl nicht zuletzt wegen ihrer bedingungslosen Verteidigung der israelischen Regierung und der früheren Kooperation mit der Stasi bei der Verfolgung von früheren Nazis.

Gemeinsames Lebenswerk

In ihrer Wahlheimat wie auch in Israel erhielten die Klarsfelds bereits zahlreiche Auszeichnungen. Die Aufarbeitung der Nazi-Gräuel, die Fahndung nach den Tätern und die Erinnerung an die Opfer wurde zu ihrem gemeinsamen Lebenswerk; zugleich beeindruckt die Geschichte von Beate und Serge Klarsfeld auch als deutsch-französische Liebesgeschichte der Nachkriegszeit. Die gebürtige Berlinerin stammt aus einer Familie, die Hitler weder bekämpft noch unterstützt hatte. Unbedarft ging sie als 21-Jährige als Au-Pair-Mädchen nach Paris, wo die Begegnung mit ihrem späteren Mann den Wendepunkt herbeiführte, wie sie sagt: „Mit ihm wurde ich mir meiner historischen und moralischen Verantwortung als Deutsche bewusst.“

Serge Klarsfeld war als Kind mit seiner jüdischen Familie von Bukarest nach Südfrankreich geflohen. Versteckt in einem Wandschrank, entging er 1943 einer Razzia der Nazis, doch sein Vater wurde festgenommen, deportiert und in Auschwitz ermordet. Er wurde Historiker und Anwalt, während Beate für das Deutsch-Französische Jugendwerk arbeitete. Mit intensiven Recherchen wollten die Klarsfelds bestehende Netzwerke früherer Nazi-Größen sprengen, sie spürten ehemalige NS-Kriegsverbrecher wie Kurt Lischka, Alois Bronner und Maurice Papon auf und erreichten die Auslieferung von Klaus Barbie von Bolivien nach Frankreich. 1987 wurde der frühere Gestapo-Chef von Lyon zu lebenslänglicher Haft wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt.

Kampf gegen Antisemitismus

1979 gründeten die Klarsfelds die „Vereinigung der Söhne und Töchter von deportierten Juden Frankreichs“ und erforschten in akribischer Archivarbeit die Identität von 75 721 deportierten französischen Juden, für die sie eine Gedenkstätte in Israel schufen. Das Wichtigste für ihn sei, so der 79-jährige Serge Klarsfeld, „die Rolle der Vichy-Regierung bei der Deportation der Juden aufzudecken“.

Und: Der Kampf gegen den Antisemitismus, „diese Krankheit, die sich ständig erneuert“, ende nicht.

 
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