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BRÜSSEL
Sorgen wegen russischer Antwort
„Der Dialog mit Russland zur Lösung des Ukraine-Konfliktes ist unerlässlich“: Martin Schulz und die EU stimmen nun leisere Töne an.
Foto: O. Hoslet, dpa | „Der Dialog mit Russland zur Lösung des Ukraine-Konfliktes ist unerlässlich“: Martin Schulz und die EU stimmen nun leisere Töne an.
Detlef Drewes
Detlef Drewes
 |  aktualisiert: 12.09.2014 18:41 Uhr

Kaum waren am Freitagmorgen die verschärften Sanktionen der EU gegen Russland in Kraft getreten, veränderte sich der Ton in Brüssel schlagartig. Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) gehörte zu den Ersten, der von Schärfe auf Verständigung umschaltete: „Der Dialog mit Russland zur Lösung des Ukraine-Konfliktes ist unerlässlich“, betonte er. Ohne Moskau seien die Spannungen nicht zu lösen. Und auch aus verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten kamen nicht länger drohende Worte, sondern eher bange Befürchtungen angesichts der möglichen Folgen einer Gegenreaktion Moskaus.

Der österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling sprach von einem „Wachstumsdämpfer“, den sein Land schon jetzt zu verkraften habe. Sein litauischer Kollege Rimantas Sadzius äußerte offen die Angst, die „russischen Gegensanktionen werden mein Land besonders treffen“. Aber auch Deutschland könnte unter den Folgen der Verschärfung leiden. Immerhin kaufte Moskau der Bundesrepublik im Vorjahr etwa zwölf Prozent der hiesigen Exporte ab. Umgekehrt erwarb Deutschland aus Russland Waren im Wert von 36,1 Milliarden Euro.

Doch wie die Antwort des Kremls auf den Vollzug der EU-Strafmaßnahmen aussieht, blieb zunächst offen. Nach Polen und Slowenien berichtete am Freitag auch die österreichische Regierung von einem Rückgang der gelieferten Gasmenge um zehn bis 20 Prozent. Andrej Beloussow, Berater von Präsident Wladimir Putin, bestätigte, dass sein Chef ein eigenes Sanktionspaket bereits in der Schublade habe.

Demnach müssen die großen westlichen Fluggesellschaften Lufthansa, KLM-Air France und British Airways wohl mit einem Entzug der Überflugrechte auf ihrem Weg nach Asien rechnen. Die Kosten für Umwege werden von den Airlines mit 20 000 Euro je Flug (eine Milliarde Euro pro Jahr) angegeben. Zusätzlich werde man, so deutete der Kreml-Berater an, auch die Automobilindustrie attackieren und den Import – eventuell aber auch nur von Gebrauchtwagen – beschränken. Das könnte Volkswagen, Mercedes, BMW und Audi schaden. Denn 2013 kam jedes fünfte Fahrzeug, dass in Russland gekauft wurde, aus Deutschland. Zusätzlich erwägt die russische Führung offenbar, die Einfuhr von Kleidung zu limitieren – vor allem bei Waren, die nicht schon in Russland selbst hergestellt werden können.

Doch offiziell schwieg Moskau am Freitag. Lediglich Außenminister Sergej Lawrow schlug schärfere Töne an und warf der EU vor, „den Friedensprozess zu schädigen“. In Brüssel ging man davon aus, dass der Kreml die parallel laufenden Gespräche mit ukrainischen und EU-Vertretern über Korrekturen beim Assoziierungsabkommen mit Kiew nicht torpedieren wollte. Der Vertrag, der eine Freihandelszone zwischen Kiew und der EU begründen soll, steht am kommenden Dienstag im Straßburger Parlament zur Unterzeichnung an.

Moskau hat sage und schreibe 2370 Änderungswünsche eingereicht, denen Brüssel offenbar aufgeschlossen gegenübersteht. Es geht vor allem um die Zugangsmöglichkeiten für russische Lieferanten zum ukrainischen Markt nach dem Inkrafttreten im November. Rund 40 Prozent seines Importes bestreitet die Ukraine derzeit mit Produkten russischer Hersteller. „Wenn wir alle Wünsche übernehmen, ist das Abkommen völlig durchlöchert“, hieß es in Brüssel. Doch offenbar setzt die EU auf diese Verlockung, um Moskau trotz der Sanktionen an den Verhandlungstisch zu bringen.

Ein Unterhändler bestätigte am Freitag: „Man spürt den Reiz der Moskauer Delegation, ein nachgebessertes Assoziierungsabkommen auch mit deutlichen Gesten zur Entspannung zu beantworten.“

 
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