Kaum hat die Regierung nach langem Streit beschlossen, wie die Grundsteuer künftig ausgerechnet wird, da droht schon der nächste Krach. Der vielleicht noch viel heftiger werden könnte – Koalitionsbruch nicht ausgeschlossen. Es geht nämlich um die brisante Frage, ob die so genannte Umlagefähigkeit wegfallen soll. Bislang kann sich der Vermieter die Grundsteuer über die Nebenkostenabrechnung vom Mieter zurückholen. Doch Johannes Fechner, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, sagt: „Ich habe erhebliche Zweifel, ob angesichts der explodierenden Mieten die Umlagefähigkeit bestehen blieben kann.“ Nun müsse ein Weg gefunden werden, drohende Mehrbelastungen für Mieter auszuschließen, so Fechner gegenüber dieser Redaktion. „Das werden wir jetzt im parlamentarischen Verfahren auf die Tagesordnung bringen“, kündigt er an.
CDU und CSU lehnen eine Abschaffung der Umlagefähigkeit entschieden ab. Der einflussreiche Parlamentskreis Mittelstand (PKM) der Unionsfraktion fühlt sich in dieser Frage von SPD-Bundesfinanzminister Olaf Scholz sogar hinters Licht geführt. PKM-Vorsitzender Christian von Stetten kritisiert gegenüber dieser Redaktion, dass in dem vom Koalitionsausschuss kurz vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause beschlossenen Gesetzentwurf „ein entscheidender Passus plötzlich fehlt“. Von Stetten: „Ich vermisse das in früheren Entwürfen stets enthaltene, klare Bekenntnis zur Umlagefähigkeit.“
Im älteren der beiden dieser Redaktion vorliegenden Papiere heißt es im Abschnitt über die Verwendung der Grundsteuer durch die Kommunen: „Da diese Leistungen nicht nur dem Grundstückseigentümer zu Gute kommen, erfasst die Grundsteuer sachgerecht durch ihre Umlagefähigkeit alle Einwohner und ist geeignet, die Bindung der Bevölkerung an die Gemeinde zu stärken.“ Im Papier aus dem Koalitionsausschuss wurde dieser Satz dagegen ersatzlos gestrichen, so Christian von Stetten. Und das sei nicht kommuniziert worden.
In diesem Zusammenhang geht sein Vorwurf auch an die eigenen Reihen. In einem Brandbrief an die Unionsfraktionschefs Ralph Brinkhaus (CDU) und Alexander Dobrindt (CSU) fordert er: „Da die Umlagefähigkeit später ohne Bundestagsbeschluss durch bloßes Regierungshandeln verändert werden kann, ist dieser Satz in der Begründung des Gesetzes von besonderer Bedeutung und muss wieder aufgenommen werden.“ Es bedürfe nur einer Einigung von Justiz- und Innenministerium, um die Umlagefähigkeit abzuschaffen. Innenminister Horst Seehofer sei zwar strikt gegen eine Abschaffung, künftige Regierungen könnten sie aber problemlos beerdigen. Adressiert ist der Brief auch an Andreas Jung, den CDU-Verhandlungsführer in Sachen Grundsteuer. Jung sagt: „Es bleibt bei der Umlagefähigkeit, das ist Beschlusslage in der Großen Koalition.“ Der fehlende Satz ändere daran nichts. Er hoffe, dass alle Beteiligten ihrer Verantwortung zur Sicherstellung der Finanzgrundlage der Kommunen gerecht würden.
Von Stetten mutmaßt dennoch, dass der Wegfall des Bekenntnisses zur Umlagefähigkeit kein Zufall ist. SPD-Mann Olaf Scholz könne damit nicht nur eigene parteipolitische Interessen verfolgen, sondern auch versuchen, die Grünen zu umgarnen. Denn für die Grundsteuer-Reform bedarf es einer Grundgesetzänderung, die nur mit Zweidrittelmehrheit möglich ist. Im Bundestag müssten neben der Großen Koalition auch FDP und Grüne den Gesetzentwurf billigen.
Stefan Schmidt, in der Grünen-Bundestagsfraktion zuständig für die Kommunalfinanzen, sagt: „Wir würden die Umlagefähigkeit gerne streichen. Die Grundsteuer darf nicht mehr an die Mieter weitergegeben werden.“ Schmidt bestätigt, dass sich die Grünen in dieser Frage Bewegung erhoffen: „Das ist einer der Punkte, die wir in den Verhandlungen ansprechen werden.“
Ein Streit auf der Zielgeraden der vom Bundesverfassungsgericht dringend angemahnten Grundsteuerreform ist für die Kommunen brisant, für sie geht um jährliche Einnahmen in Höhe von 14 Milliarden Euro. Eine Lösung wird aber auch dadurch schwerer, dass die FDP ein gewichtiges Wort mitreden will. Sie ist für die Beibehaltung der Umlagefähigkeit und fordert einen Freibetrag für selbst genutzte Immobilien. „Wir werden der Grundgesetzänderung nur zustimmen können, wenn es substanzielle Veränderungen am Gesetzentwurf gibt“, sagt Michael Theurer, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Fraktion.