An insgesamt 23 Stellen tauchte die AfD im Verfassungsschutzbericht des letzten Jahres auf. Doch alleine 19 Mal ging es dabei um Aktionen von Linksextremisten und autonomen Gruppen gegen Mitglieder und Anhänger der AfD, nur an vier Stellen wurde die Partei im Kapitel „Rechtsextremismus“ erwähnt – und dort in Abgrenzung zur NPD. Zentrale Erkenntnis der Verfassungsschützer: „Insbesondere durch die Wahlerfolge der Alternative für Deutschland (AfD) wurde die fehlende Durchsetzungskraft und Attraktivität rechtsextremistischer Parteien im Feld der Protestwähler beziehungsweise Nichtwähler besonders deutlich, weil die verschiedenen Parteien in Teilen um dieselbe Wählerklientel konkurrieren.“
Die AfD selber war dem Bundesamt für Verfassungsschutz kein eigenes Kapitel wert. Doch das könnte sich bald schon ändern. Nachdem der Parteikonvent der AfD vor wenigen Tagen die bislang strikte Abgrenzung zur fremden- und islamfeindlichen „Pegida“-Bewegung aufgehoben und es den Mitgliedern ausdrücklich erlaubt hat, auf „Pegida“-Kundgebungen aufzutreten, forderten sowohl der neue Grünen-Chef Robert Habeck als auch mehrere Landesämter für Verfassungsschutz den Präsidenten des Bundesamtes auf, Material für eine mögliche Beobachtung der nationalkonservativen Partei zu sammeln.
„Die Grenze, an der die Grundfeste des Staates in Frage gestellt wird, ist an vielen Stellen überschritten“, sagte Habeck. Wachsamkeit sei der „Preis der Freiheit“, er sei daher der Auffassung, der Bund sollte überprüfen, „ob die AfD vom Verfassungsschutz überwacht werden muss“.
Die von dem vielfach vorbestraften Dresdener Lutz Bachmann gegründete „Pegida“-Bewegung, die seit dem Oktober 2014 vor allem in Dresden jeden Montagabend eine Demonstration gegen die Islamisierung Deutschlands veranstaltet, wird im aktuellen Verfassungsschutzbericht an drei Stellen erwähnt. Mehrere Organisatoren sowie Redner und Teilnehmer wurden bereits rechtskräftig verurteilt oder es sind Strafverfahren anhängig, unter anderem wegen Körperverletzung, Volksverhetzung, Beleidigung, Bedrohung oder Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, außerdem wegen geplanten Anschlägen auf Flüchtlingsheime, Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie zwei Sprengstoffattentaten, die die Ermittlungsbehörden zwei „Pegida“-Aktivisten zur Last legen.
Mit Blick auf diese Vorkommnisse sprach sich auch der geschäftsführende Justizminister Heiko Maas für eine Beobachtung von Teilen der AfD durch die Verfassungsschutzämter aus. „Zumindest einige Gruppen der AfD scheinen es offenbar darauf abgesehen zu haben, zur neuen politischen Heimat auch für Neonazis zu werden.“
Etwas skeptischer äußerten sich die Innenexperten von Union und FDP, Stephan Mayer (CSU) und Stephan Thomae (FDP), gegenüber dieser Redaktion, wollten aber eine Beobachtung durch die Sicherheitsbehörden nicht grundsätzlich ausschließen. Es bestehe die Gefahr, der AfD dadurch einen „Märtyrerstatus“ zu verschaffen, sagte der designierte Staatssekretär im Innenministerium, Mayer. „Das wäre kontraproduktiv.“ Wenn es aber zu einer engeren Zusammenarbeit von AfD und „Pegida“ komme, müssten die Verfassungsschutzbehörden „eingehend prüfen, ob eine Beobachtung der AfD oder von Teilen der AfD angezeigt ist“. Die Politik sollte sich dabei heraushalten. „Wir sollten die zuständigen Behörden ihre fachlich fundierte Bewertung ohne politische Vorgaben vornehmen lassen.“
Der FDP-Innenexperte Stephan Thomae forderte im Umgang mit der nationalkonservativen AfD „mehr Gelassenheit“. „In einer Demokratie muss die Entzauberung einer extremen Partei in erster Linie politisch im Parlament ausgetragen werden“, sagte er gegenüber unserer Zeitung, man müsse nicht auf jede Provokation der AfD hektisch reagieren. Sollte es allerdings tatsächlich Hinweise auf verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der AfD geben, „muss im Rahmen unserer rechtsstaatlichen Instrumente auch über eine nachrichtendienstliche Beobachtung nachgedacht werden“.