Seit vier Tagen hält Peking die Luft an. „Es ist schrecklich“, sagt die 34-jährige He Zhiping. Ihre Augen hätten sich durch die dreckige Luft entzündet. Sie sei zum Arzt gegangen und habe sich am Montag krankgemeldet. „Meine Augen brennen. Ich will nicht vor die Tür gehen, sonst wird es noch schlimmer.“ Früher hatte sie immer das Gefühl, dass die Luftverschmutzung vielleicht gar nicht so schwer sei, sagt die Angestellte. „Aber jetzt wird mir klar, wie meine Organe und die ganze Gesundheit darunter leiden.“
Seit Tagen hält der extreme Smog den Norden und Osten Chinas im Würgegriff. Die Schadstoffe wehen sogar nach Südkorea hinüber. In den Krankenhäusern der chinesischen Hauptstadt steigt die Zahl der Patienten mit Atemwegsproblemen oder Augenreizungen. Die langfristigen Folgen der hohen Schadstoffbelastungen sind fatal: Der frühere chinesische Gesundheitsminister Chen Zhu schätzt in einer Studie, dass jedes Jahr zwischen 350 000 und 500 000 Chinesen vorzeitig an den Folgen der Luftverschmutzung sterben.
„Wir haben alle Angst“
Eine frühere Untersuchung geht sogar noch weiter und schätzt, dass allein 2010 rund 1,2 Millionen Menschen an den Folgen des superkleinen Feinstaubs mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 Mikrometer (PM2,5) ums Leben kamen. Diese Schadstoffe gehen über die Lunge direkt ins Blut. „Wir haben viel mehr Patienten“, berichtet eine Mitarbeiterin im chinesisch-japanischen Freundschaftshospital der Nachrichtenagentur dpa in Peking. Als „fast unbewohnbar“ hatte eine Studie der Shanghaier Akademie der Sozialwissenschaften die Hauptstadt beschrieben und damit für Wirbel gesorgt.
Nach dem verheerenden Smog im vergangenen Winter hatte Peking im Herbst seine Notfallpläne verkündet. So sind bei der höchsten Alarmstufe „Rot“ massive Fahrverbote und Fabrikschließungen geplant. Die Pekinger verstehen aber nicht, warum nicht endlich von „Orange“ auf „Rot“ umgeschaltet wird. „Wir haben alle Angst, was mit uns passiert“, sagt die 28-jährige Zhang Li. „Die Behörden wollen einfach nicht die höchste Stufe ausrufen.“ Vielleicht wolle niemand die Verantwortung übernehmen, wenn die Metropole zum Stillstand komme.
Zhang Li hat sich über das Internet in Singapur eine aufwendige Atemschutzmaske bestellt. „Ich traue den chinesischen Masken nicht.“ Überall auf den Straßen tragen die Menschen einen solchen Mundschutz. Beim Gastspiel des Kölner Gürzenich-Orchesters am Sonntagabend in Peking behielten sogar zwei Besucher ihre Maske während des Konzerts auf, weil die Belüftungsanlage den Smog noch in den Konzertsaal blies. Es roch verraucht. Die verqualmte Luft war im grellen Scheinwerferlicht zu sehen. Besucher klagten über Augenbrennen.
Läufer des jährlichen Umweltlaufes am Sonntag auf dem Gelände der Olympischen Spiele 2008 trugen auch Mundschutz und einige sogar demonstrativ Gasmasken. Er heißt „Nacktlauf“, weil die Sportler in Unterhosen laufen, um für ein besseres Umweltbewusstsein zu werben. Diesmal waren aber nur 300 Unbeirrbare gekommen.
Banger Blick auf Schadstoffwerte
Nervös blicken viele Pekinger immer wieder auf ihre Smartphones, um die neuesten Schadstoffwerte abzulesen. Dann entscheiden sie erst, was sie als Nächstes tun. „Wenn es schlimm ist, gehe ich nicht vor die Tür“, sagt die 29-jährige Bao Weihui. „Ich denke darüber nach, Peking zu verlassen“, sagt die 29-Jährige. „Ich will weg – am liebsten ins Ausland.“