Vorweg erst mal eines: Der Schuhtick ist nicht nur ein Spleen konsumwütiger Frauen, sondern aktive Gesundheitsvorsorge. Der häufige Wechsel des Schuhwerks schont die Füße, fördert deren Hygiene, sorgt für eine unterschiedliche Beanspruchung der Füße und ist damit auch gut für die ganze Wirbelsäule, erklären Fußchirurgen wie Henrik Boack von der Berliner Charité.
Unter dieser Voraussetzung kann man jetzt ganz beruhigt an den heimischen Schuhschrank gehen und mal durchzählen. Angefangen bei den nützlichen Tretern wie Bade-, Haus- oder Sportschuhen hin zu den „Lustschuhen“, den strassverzierten Sandaletten, den Ballerinas in mehreren Farben und Formen, den Stilettos, die man mit gutem Gefühl eigentlich nur zu Sitzterminen tragen kann. Wie viele da zusammenkommen? Wenn es nach den Ehemännern geht, sind es auf jeden Fall zu viele, das ist klar. Laut Statistik haben deutsche Männer acht Paar im Schrank. Für die meisten Frauen ist aber klar: es können nie genug sein. Schließlich gelten sie ja seit Urzeiten auch als Sammlerinnen. Wobei: Ein gewisser Jagdinstinkt ist nicht zu leugnen, wenn man erlebt, wie Frauen ihre Sammlung Paar für Paar erweitern. Im Durchschnitt hat jede Frau in Deutschland aber nur um die 25 Paar Schuhe zu Hause, es muss also auch welche geben, die sich mit zwei bis drei begnügen.
Warum aber ist besonders für Frauen das Schuhwerk mehr als schnöde Fußbekleidung? Mehr als Schutz für die Füße, wie es bei unseren Vorfahren war, die sich Felle und Tierhäute um die Füße gebunden haben, wenn sie die Höhle verließen? Schuhe sind eine Form der Kommunikation, und die betreiben Frauen bekanntlich besonders gern. Sie geben Auskunft über den gesellschaftlichen Status und die Lebensart ihrer Trägerin, sie verraten Wünsche und Emotionen. Mit unseren Schuhen senden wir Signale aus und setzen uns in Szene.
High Heels betonen die Weiblichkeit, sie machen die Beine optisch länger und betonen Po und Busen, weil man in ihnen eher ins Hohlkreuz geht. Ganz zu schweigen vom Hüftschwung, der auf hohen Hacken leichter fällt. Frauen in Ballerinas stellen dagegen eher etwas Mädchenhaftes zur Schau wie Audrey Hepburn in den 1950er Jahren. Sneakers und Flip-Flops lassen ihre Trägerinnen mit einer gewissen Lässigkeit durchs Leben laufen, wohingegen mäßig hohe Pumps den Anschein von Seriosität verleihen.
Nebenbei bemerkt: Schuhe sind für Frauen zuverlässige und beständige Begleiter des Lebens. Ab dem 16., 17. Lebensjahr verändert sich die Fußgröße selten. Die deprimierende Erfahrung, dass man mal mit Kleidergröße 36 angefangen hat und im mittleren Alter dann bei 40 oder 42 gelandet ist, bleibt einem beim Schuhkauf erspart. Unabhängig vom Hüftspeck und Bauchansatz lässt sich auch nach Jahren noch alles tragen, was man von Röhrenjeans und eng anliegenden Kleidern ja nicht behaupten kann. Umgekehrt macht ein neues Paar Schuhe nicht dick wie eine Tafel Schokolade, womit auch geklärt ist, warum sich Frauen ihren Frust gern mit einem neuen Paar Schuhe wegkaufen.
So viel zu den Klischees, die im Umlauf sind. Tatsache ist aber, dass ein gutes Paar Schuhe jedes Outfit aufpeppt, egal ob Mann oder Frau, ob modisch oder klassisch. Schicke Slipper oder raffinierte High Heels bescheren der einfachen Jeans mit T-Shirt einen besseren Auftritt als Turnschuhe; und was nützt der elegante Smoking, wenn er – im Extremfall – mit braunen Halbschuhen kombiniert wird? Wer auf sein Schuhwerk achtet, wird in der Regel auch in vielen anderen Dingen Sorgfalt walten lassen. Immer mehr Personalchefs lassen deshalb angeblich den Blick nach unten wandern, um besser beurteilen zu können, wen sie als Bewerber vor sich sitzen haben. Schuhe sind also längst nicht mehr nur ein Frauenthema. Auch die Schuhmode für Männer wird immer variantenreicher und bunter: Sneakers, Slipper in allen Regenbogenfarben, edle Stiefeletten und derbe Cowboystiefel – auch Männer zeigen Schuhbewusstsein.
Für Peter Eduard Meyer ist das Schuhwerk Familientradition. Im Firmenlogo nennt sich „Eduard Meyer“ in München das älteste Schuhhaus Deutschlands, 1596 wurde es erstmals erwähnt. Peter Eduard Meyer führt den Betrieb zusammen mit seiner Schwester Brigitte mittlerweile in der 13. Generation. Die Schuhe für Damen und Herren im Laden an der noblen Brienner Straße wehen einem den intensiven Duft von Leder in die Nase und stammen aus der Hand gelernter Schuhmacher. Wer sich mit Peter Eduard Meyer unterhält, hört Begriffe wie Einstichnaht, erfährt etwas über den ungeheuren Auftrittsschlag, den ein Absatz abfedern muss, und vernimmt Sätze wie diesen: „Irgendjemand hat gesagt, dass Crocs auch Schuhe sind.“ Bis zu 200 Arbeitsgänge sind je nach Schuhtyp nötig, bis das fertige Produkt im Laden steht – vom Befestigen der sogenannten Brandsohle am Leisten, einem dreidimensionalen Modell des Schuhinnenraums, bis zum mehrmaligen Präparieren des Leders am fertigen Schuh. Etwa eine Arbeitswoche braucht ein Schuhmacher dafür, rund drei Wochen Ruhezeit bleibt das fertige Werk noch auf dem Leisten, um die Form zu festigen. Zählt man alles zusammen, kommt man je nach Modell auf 80 bis 180 Teile, die in einem klassischen zwiegenähten Herrenschuh verarbeitet werden.
Industrieprodukte, wie sie zum Großteil in den gängigen Schuhläden zu finden sind, können damit schwer mithalten. Sie werden heute vor allem in Asien hergestellt und nicht mehr genäht, sondern vorwiegend verklebt. Die Standardleisten müssen für viele unterschiedliche Fußformen passen. Auch wenn es bei Meyer seit einigen Jahrzehnten keine Maßschuhe, also individuell für den Träger angepasste Schuhe, gibt, versucht man, dem ideal sitzenden Schuh so nahe wie möglich zu kommen. Anfang der 90er Jahre entwickelte Peter Eduard Meyer eine Leistenform, die sogenannten Peduform-Leisten, die die Form des Fußes besonders exakt nachbilden und in jeder Größe in vier verschiedenen Weiten existieren. „An den optimalen Schuh kommen wir so sehr nah heran“, verspricht Meyer. Welchen Unterschied die aufwendige Herstellung in Handarbeit zur industriellen Fertigung macht, spürt man nicht nur am Fuß, sondern auch im Geldbeutel. 600 bis 650 Euro muss man bei Eduard Meyer für einen guten Herrenschuh mindestens hinlegen.
Glaubt man Wissenschaftlern, so macht es aber auch einen gravierenden Unterschied für die Körpergesundheit, ob man gute Schuhe trägt. Nur zwei Dinge braucht der Mensch, heißt es im Volksmund: ein gutes Paar Schuhe und ein gutes Bett. Wenn er nicht im einen steckt, steckt er im anderen. Wer Schuhe mit schlechter Passform trägt, muss genauso mit Konsequenzen von den Füßen bis zum Kopf rechnen, wie wenn er auf einer schlechten Matratze schläft. Das Dreifache des Körpergewichts lastet bei jedem Schritt auf einer Fläche von 25 bis 35 Zentimetern. Deshalb ist es besonders wichtig, dass der Fuß im Schuh den richtigen Halt, aber trotzdem genug Beweglichkeit hat, um die Gelenke zu entlasten. Was nur wenige beim Schuhkauf berücksichtigen: Der Fuß ändert beim Gehen seine Form. Bei jedem Schritt streckt sich die Spitze, beim Auftreten wird der Fuß breiter. Schlecht sitzende, drückende Schuhe führen auf Dauer zu einer falschen Ganghaltung, zu ungleicher Schrittlänge, zu Fehlstellungen der Wirbelsäule bis hin zum Fehlbiss im Kiefer. Verspannungen, Kopfschmerzen, sogar ein Bandscheibenvorfall können die Folge sein.
Der richtige Schuh ist also von besonderer Bedeutung für die Gesundheit des ganzen Körpers, und das von den ersten kleinen Schritten an, weil sich Kinderfüße noch leichter verformen als die von Erwachsenen. Studien von Sportmedizinern haben ergeben, dass viele Kinder Schuhe tragen, die nicht richtig passen. Oft stimmen die Größenangaben der Hersteller nicht, außerdem können kleine Kinder noch nicht richtig beurteilen, ob ein Schuh tatsächlich passt. Besonders tückisch beim Wachstum von Kinderfüßen ist auch, dass sie sich nicht nur in der Länge, sondern in der Proportion schnell verändern können. Immer Schuhe kaufen, die 12 bis 17 Millimeter länger als der Fuß sind, raten Fachleute daher. Außerdem sollten nicht nur die Außenlänge, sondern auch die Innenlänge des Kinderfußes vermessen werden, wie überhaupt gilt: Die Füße des Kindes öfters messen und anhand einer Schablone auf Papier überprüfen, ob die Schuhe noch passen.
So viel zu den ernsten Seiten eines leichtfüßigen Themas. Tatsache ist, dass Schuhe das wichtigste Kleidungsstück des Menschen sind. Sie geben uns Bodenständigkeit, sie verschaffen uns den richtigen Auftritt, manchmal verhelfen sie uns zu Größe. Sie sind der „Sockel des Menschen“, wie der Künstler Günther Uecker einmal gesagt hat. Nicht zuletzt sind sie ein Objekt der Leidenschaft, das unser Wohlbefinden entscheidend beeinflussen kann. „Ein Schuh soll beflügeln, uns in die Lüfte heben. Wer erst einmal auf Wolken geht, der wird auch andere Träume wahr machen“, brachte es der französische Schuhdesigner Roger Vivier auf den Punkt.