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Sind die Tuareg stolze Ritter oder Opfer?
Als Auslöser für den aktuellen Konflikt werden gerne „die Tuareg“ genannt. Aber wer sind eigentlich die Tuareg, wie man sie gerne verallgemeinernd bezeichnet?
Von unserem Redaktionsmitglied Karl-Georg Rötter
 |  aktualisiert: 24.02.2013 19:37 Uhr

Sind sie die stolzen und geheimnisvollen „blauen Ritter der Wüste“, als die man sie gerne romantisierend verklärt? Sind sie die knallharten Wüstenkrieger, die alles bekämpfen, was sich ihnen in den Weg stellt? Oder sind sie ein friedliches Nomadenvolk, das Karawanen und Viehherden durch die Sahara führt und dabei mit scheinbar übermenschlichen Fähigkeiten den unmenschlichen Lebensbedingungen von grenzenlosem Sand und knallheißer Sonne trotzt?

Zunächst: „Die Tuareg“ gibt es gar nicht. Allein in der Region Kidal im Norden soll es 144 verschiedene Tuareg-Fraktionen geben. Sie nennen sich auch nicht Tuareg, sondern bezeichnen sich als „Kel Tamashek“ nach dem Namen ihrer Sprache. Der aus dem Arabischen abgeleitete Begriff Tuareg bedeutet nämlich „von Gott Verstoßene“. Und als solche sehen sich die Tuareg, die durchweg Muslime sind, keineswegs. Allerdings ist der Islam der Tuareg ein weltoffener und liberaler, ganz im Gegensatz zu jenem der islamistischen Gruppen, mit denen sie im aktuellen Konflikt vorübergehend kooperierten.

Woher die Tuareg ursprünglich kommen, ist weitgehend unbekannt. Doch weiß man, dass sie seit gut 1000 Jahren in verschiedenen Stämmen und Gruppierungen als freies Volk in der Sahara leben. Und zwar in einer Wüste ohne Grenzen, in der sie auf unterschiedlichen Routen ihren Transportgeschäften nachgingen. Salz, Gold, aber auch Sklaven wurden zwischen Westafrika und Marokko transportiert. Es kam zu vereinzelten Überfällen zwischen unterschiedlichen Tuareg-Stämmen, doch galten die Tuareg über Jahrhunderte als die Herrscher der Sahara.

Das änderte sich erst mit der verstärkten Präsenz der Franzosen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die nahezu alle Tuareg-Gebiete unter ihre Gewalt brachten. Es kam immer wieder zu gewaltsamen Tuareg-Aufständen, die aber alle von der Kolonialmacht Frankreich niedergeschlagen wurden.

Noch härter traf die Tuareg ab 1960 die Aufteilung des bisher grenzenlosen Sahelgebiets in unabhängige Nationen: Mali, Niger, Burkina Faso, Algerien und Libyen. 1960 wurde das Tuareg-Gebiet zwischen Mali, Niger und Algerien aufgeteilt, kleinere Tuareg-Gruppen gab es noch in Libyen und Burkina Faso. Durch willkürlich gezogene Staatsgrenzen wurden sowohl die Handelsrouten als auch die Weidegebiete drastisch eingeschränkt, was letztlich den Viehhandel zum Erliegen brachte. Es gab gewaltsame Konflikte, in denen die Tuareg unterlagen.

Hart getroffen wurden die Tuareg dann in den 1970er und 1980er Jahren von Dürrekatastrophen. Die Folge waren ein riesiges Viehsterben sowie Hungersnöte, Verelendung und Massenarbeitslosigkeit bei den Menschen. So landeten viele Tuareg in libyschen Flüchtlingscamps. Dort waren sie für Diktator Gaddafi ein dankbares Söldner-Potenzial. Zu einer weiteren Auseinandersetzung kam es in Mali, als die Tuareg mehr Mitspracherechte von der Regierung einforderten. Große Verbesserungen gab es nicht, immerhin wurden jedoch Tuareg in die malische Armee, Verwaltung und Regierung integriert. Auch schlossen beide Seiten 1995 einen Friedensvertrag, was in Timbuktu durch den Bau eines großen Denkmals dokumentiert wurde, in das symbolisch verbrannte Tuareg-Waffen integriert sind.

Lange währte die Ruhe aber nicht, denn immer wieder flammte bei den im Norden des Landes lebenden Tuareg das Bedürfnis nach Unabhängigkeit von der Zentralregierung im Süden Malis auf. Doch noch einmal gelang es, auch diese Unruhe 2009 mit einem Friedensvertrag zu stoppen, ehe das Pulverfass 2012 explodierte.

Heute leben in Mali etwa 1,6 Millionen Tuareg. Manche sind noch immer Wüstennomaden und Viehzüchter, andere sind sesshaft geworden und betätigen sich im Tourismus als Hoteliers oder Führer durch die Wüste. Andere sind als Silber- und Kunstschmiede tätig. Und eine ganze Reihe hat als Künstler und Musiker Karriere gemacht.

Da viele Malier die Tuareg als Mitverursacher der aktuellen Krise sehen, wird es nicht einfach werden, das Zusammenleben der Bevölkerung in Nord und Süd bald wieder auf eine gemeinsame Basis zu stellen.

 
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