Das hat es in der unendlich langen Saga zwischen Silvio Berlusconi und der italienischen Justiz noch nicht gegeben: Ein Berufungsgericht dreht das harte Urteil aus der ersten Instanz komplett um. Statt sieben Jahren Haft wegen Amtsmissbrauchs und Prostitution von Minderjährigen hieß es am Freitag in Mailand: Freispruch, und zwar komplett.
Es war derjenige seiner Prozesse, den der viermalige italienische Ministerpräsident am meisten fürchtete. Wegen der hohen Strafe, dem lebenslangen Ämterverbot und der Zementierung seines schlechten Rufs, den eine Bestätigung des Sieben-Jahre-Urteils in zweiter Instanz zur Folge gehabt hätte. Stattdessen stellt sich die Wirklichkeit nun um einiges freundlicher dar für den 77 Jahre alten Lebemann aus der Lombardei, der aufgrund seiner Verurteilung wegen Steuerbetrugs einmal pro Woche Sozialdienst verbüßt.
„Ruby-Prozess“ nennen die Medien das Verfahren in Anspielung auf die heute 21 Jahre alte Marokkanerin Karima El Mahroug, die man nun nicht mehr so ohne weiteres als Prostituierte bezeichnen kann. Als solche hatten sie noch die Richter aus der ersten Instanz durch ihren Spruch charakterisiert. Laut Anklage soll Berlusconi mit ihr als 17-Jähriger im Rahmen der „Bunga-Bunga“-Feste mehrmals Sex gehabt und sich mit einigen Zehntausend Euro erkenntlich gezeigt haben.
Das Berufungsgericht stellte mit seinem Freispruch nun fest: Möglicherweise kam es zum Sex, der Ex-Premier war sich aber der Minderjährigkeit seiner Geschlechtspartnerin nicht bewusst und kann deshalb nicht belangt werden. Auch der juristisch schwerer wiegende Anklagepunkt wurde fallen gelassen. Berlusconi habe keinen Amtsmissbrauch begangen, als er in einer Mai-Nacht 2010 in einer Mailänder Polizeiwache anrief, in der El Mahroug wegen einer Streiterei festgehalten wurde. Im Anschluss an die Lüge, es handelte sich um die Nichte des damaligen ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak, wurde El Mahroug in die Obhut einer anderen Berlusconi-Freundin entlassen. Das Berufungsgericht stellte fest: Von strafrechtlich relevantem Amtsmissbrauch kann keine Rede sein.
In einer Erklärung zeigte sich Berlusconi „tief berührt“. Nur diejenigen, die ihm nahegestanden hätten, wüssten, wie er unter der „ungerechten und infamen Verurteilung“ sowie unter der „Aggression der Medien, den Lästereien und Verleumdungen“ gelitten habe. Berlusconis Verbot öffentlicher Ämter für zwei Jahre und seine auf ein Jahr reduzierte Haftstrafe aus dem Mediaset-Prozess bleiben von dem neuen Urteil unberührt. Mit Informationen der DPA