Über Nacht hat Nigerias gerade mal 16 Jahre junge Demokratie die Pubertät hinter sich gelassen. Der erste an der Wahlurne bestimmte Machtwechsel in Afrikas bevölkerungsreichstem Land katapultiert Nigeria in die Liga der erwachsenen Demokratien. „Wir haben den Einparteienstaat hinter uns gelassen“, triumphierte der 72-jährige muslimische Wahlsieger Muhammadu Buhari. Viele Nigerianer sehen den frisch abgewählten Präsidenten Goodluck Jonathan nun plötzlich als Helden – er hat seine Niederlage anerkannt und damit wahrscheinlich blutige Auseinandersetzungen verhindert.
„Viele werden ihn als den Präsidenten in Erinnerung behalten, der eine glaubwürdige und faire Wahl möglich gemacht hat“, sagte der nigerianische Politikwissenschaftler Nkwachukwu Orji vom Hamburger Giga-Institut telefonisch aus Abuja.
In anderen Teilen Afrikas – wo Potentaten oft Jahrzehnte an der Macht festhalten – wurde Jonathans Abdankung auch mit großer Spannung verfolgt. „Eine friedliche und transparente Wahl in Nigeria hat Bedeutung für die Förderung von Demokratie in ganz Afrika“, sagt Afrika-Experte Mwangi S. Kimenyi von der Brookings Institution. Nigeria mit seinen rund 178 Millionen Einwohnern und der größten Volkswirtschaft Afrikas habe eine Führungsrolle auf dem Kontinent.
Politische Spaltung aufgelockert
Die Wahl hat erstmals auch Nigerias politische Spaltung aufgelockert. Bislang wählten die Nigerianer meist entlang ihrer ethnischen und religiösen Identität – im Süden triumphierte der christliche Kandidat, im Norden der Muslim. Doch bei der Abstimmung vom Samstag haben sich die Wähler so klar wie nie zuvor nach politischer Interessenlage entschieden. So konnte der Muslim Buhari im südlichen Lagos gewinnen.
Die Wahl hat auch Chancen, als Nigerias Abstimmung mit der geringsten Gewalt in Erinnerung zu bleiben. Nach dem letzten Urnengang 2011 kamen bei Ausschreitungen rund 1000 Menschen ums Leben. Doch nun wird im Norden ausgelassen gefeiert, und im Süden scheint es friedlich zu bleiben. Jonathan hatte in der Nacht an seine Anhänger gerichtet betont, kein politischer Ehrgeiz „ist das Blut auch nur eines Nigerianers wert“. Das Wohl des Landes gehe vor. Noch muss die Übergangsphase bis zu Buharis Amtseinführung Ende Mai überstanden werden, doch Beobachter sprachen schon jetzt von einem klaren Zeichen demokratischer Reife.
Doch nun muss sich der frühere Militärdiktator Buhari an die Arbeit machen. Seine erste Amtszeit an der Staatsspitze dauerte kaum zwei Jahre, da er die wirtschaftlichen Probleme damals nicht in den Griff bekam.
International dürfte vor allem Buharis Vorgehen gegen den islamistischen Terror der Boko Haram im Nordosten des Landes Beachtung finden. Er hat im Wahlkampf versprochen, die sunnitischen Fundamentalisten rasch auszumerzen. Die Wähler in den betroffenen nördlichen Bundesstaaten haben Buhari daher ein überwältigendes Mandat gegeben.
Schlag gegen Boko Haram
Die islamistische Terrorgruppe Boko Haram hat im Nordosten Nigerias erneut eine schwere Niederlage einstecken müssen: Truppen aus dem Tschad und aus Niger sei es gelungen, die Fundamentalisten aus dem Ort Malam Fatori zu vertreiben, der als eine der letzten Hochburgen der Gruppe in der Region galt, sagte der tschadische Militärsprecher Azeme Bermandoua am Mittwoch. Die Islamisten hatten den Ort im November unter ihre Kontrolle gebracht. Das nigerianische Militär wird seit Wochen von Truppen aus dem Tschad, Kamerun, Niger und Benin im Kampf gegen den Terror unterstützt. Die Boko Haram, die im Norden des bevölkerungsreichsten Landes in Afrika einen Gottesstaat aufbauen will, hat in den vergangenen Jahren bei Anschlägen mindestens 14 000 Menschen getötet. Text: dpa