Der Steuerfall der Frauenrechtlerin Alice Schwarzer hat die Diskussion über die strafbefreiende Selbstanzeige von Steuersündern neu entfacht. Besonders SPD-Politiker machen gegen das Instrument mobil und kritisieren es als nicht mehr zeitgemäß. Schwarzer hatte nach einem Bericht des Magazins „Der Spiegel“ eingeräumt, seit den 80er Jahren ein Schweizer Konto geführt und es erst 2013 beim Finanzamt angezeigt zu haben. Für die vergangenen zehn Jahre habe sie rund 200 000 Euro Steuern nachgezahlt – plus Säumniszinsen. Im deutschen Steuerstrafrecht kann eine wirksame Selbstanzeige vor Bestrafung schützen. Die „tätige Reue“ wird honoriert.
Als Vorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft kennt Thomas Eigenthaler seine Pappenheimer. Da gibt es den wohlhabenden Egoisten, der einen Teil seines Vermögens vor Frau und Kindern in der Schweiz versteckt. Es gibt den schlampigen Unternehmer, der seine Umsätze dem Fiskus gegenüber etwas zu freihändig und viel zu niedrig deklariert hat und es gibt Menschen wie Uli Hoeneß, die aus den unterschiedlichsten Gründen einen teuren Fehler gemacht haben. Sie alle kommen heute straffrei davon, wenn sie sich rechtzeitig offenbaren und den Finanzbehörden den Schaden samt Zinsen ersetzen. Die strafbefreiende Selbstanzeige, sagt Eigenthaler, „ist eine Möglichkeit, etwas geräuschlos nachzubessern“.
Fälle Hoeneß und Schwarzer
Wenn Prominente wie Hoeneß oder die Feministin Alice Schwarzer betroffen sind, geht es zwar in den seltensten Fällen so diskret und geräuschlos zu, wie es das Steuergeheimnis vorsieht. In den Chor der Politiker, die das Instrument der Selbstanzeige jetzt abschaffen wollen, stimmt Experte Eigenthaler trotzdem nicht ein. Er plädiert im Gespräch mit dieser Zeitung für eine Reform, die zwischen großen und kleinen Sündern unterscheidet: Bei Summen von mehr als 50 000 Euro im Jahr sollte Steuerhinterziehung danach generell geahndet werden, für kleinere Beträge würde die gegenwärtige Regel weiter gelten, nach der„tätige Reue“ auch belohnt wird.
Die 50 000-Euro-Grenze kommt dabei nicht von ungefähr: Hier wird, juristisch betrachtet, aus der einfachen Steuerhinterziehung eine schwere Steuerhinterziehung mit höheren Strafen und längerer Verjährungsfrist. Eine Selbstanzeige kommt Betroffene hier aber auch heute schon teuer zu stehen: Um straffrei auszugehen, müssen sie neben der Steuerschuld und den Zinsen noch einen Aufschlag von fünf Prozent bezahlen.
„Wenn jemand Millionen hinterzieht, darf das nicht ohne Folgen bleiben“, sagt auch Eigenthaler. Hier müsse der Staat künftig eine „klare Kante“ ziehen. Obwohl durch den umstrittenen Ankauf von Datenträgern mit brisanten Steuerinformationen der Druck deutlich gewachsen sei, betrachteten viele Kapitalanleger die Möglichkeit einer Selbstanzeige als eine Art Ablasshandel.
Der SPD-Finanzexperte Joachim Poß würde sie deshalb am liebsten komplett abschaffen: „Sie gehört vom Tisch, weil sie Steuerhinterziehung gegenüber anderen Straftaten privilegiert.“ Parteichef Sigmar Gabriel plädiert nur ganz allgemein für härtere Strafen für Steuerbetrüger. Im Gespräch ist dazu unter anderem eine Verschärfung der Verjährungsfrist. Danach müssten hinterzogene Steuern nicht nur für die letzten fünf, sondern für die letzten zehn Jahre nachgezahlt werden. Bisher gilt das nur bei Summen über 50 000 Euro. Mit Informationen von dpa
Wer betrügt – und warum
Prominente sind in jüngster Zeit wegen mangelnder Steuerehrlichkeit in die Schlagzeilen geraten. Das legt den Schluss nahe, dass die Reichen für Steuerbetrug besonders anfällig sind. Doch Experten sehen das anders. „Was Sie nicht sagen können, ist, dass Reiche ehrlicher oder unehrlicher wären als Arme“, erläutert Steuerpsychologe Professor Erich Kirchler. „Reiche haben natürlich mehr Möglichkeiten, Steuern zu hinterziehen.“ Die Möglichkeiten seien das Entscheidende und nicht etwa die Einkommenshöhe. Ganz nach der Devise: Gelegenheit macht Diebe.
Arbeiter und Angestellte versteuern ihr Einkommen direkt über den Arbeitgeber. Sie haben kaum Möglichkeiten zum Steuerbetrug. Bei Nebeneinkünften und bei freiberuflicher Tätigkeit sieht es schon anders aus. Da schleusen auch Durchschnittsverdiener regelmäßig Beträge an der Steuer vorbei.
Durch Selbstanzeigen für Vermögen in Ländern wie der Schweiz, Luxemburg oder Liechtenstein hat der Staat in den vergangenen vier Jahren rund 3,5 Milliarden Euro an Steuern eingenommen. Dem Fiskus gehen nach Schätzungen jedes Jahr zwischen 100 und 150 Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung verloren. Im Sog des Hoeneß-Falles ist die Zahl der Selbstanzeigen im vergangenen Jahr stark gestiegen. Laut „Süddeutscher Zeitung“ haben sich fast 25 000 Steuerbetrüger selbst angezeigt – dreimal so viele wie im Jahr zuvor. Text: dpa/RWA