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BERLIN/HEIDENAU/MÜNCHEN
Seehofer spricht von Völkerwanderung
Macedonian police officers control departure of migrants heading       -  Menschen, die in Europa Hilfe suchen: Flüchtlinge warten im mazedonischen Gevgelija auf einen Zug, mit dem sie nach Serbien weiterkommen wollen.
Foto: Georgi Licovskij, dpa | Menschen, die in Europa Hilfe suchen: Flüchtlinge warten im mazedonischen Gevgelija auf einen Zug, mit dem sie nach Serbien weiterkommen wollen.
reda
 |  aktualisiert: 23.08.2015 19:18 Uhr

(dpa/afp) Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hat die wachsende Zahl von Flüchtlingen als „Völkerwanderung“ bezeichnet. „Wir haben es hier mit einer großen Völkerwanderung zu tun. Das kann doch niemand mehr bestreiten“, sagte der CSU-Chef am Sonntag in einem Interview mit dem ZDF. „Wir gehen jetzt auf eine Million Flüchtlinge zu, und daneben kommt noch eine weitere Million ganz legal aus der Europäischen Union mit ganz normalen Genehmigungen aus den Drittstaaten.“

Seehofer betonte, die Flüchtlingspolitik in Bayern stehe auf drei Säulen. Dazu gehörten „Hilfe und Solidarität gegenüber jenen Menschen, die wirklich schutzbedürftig sind“. Notwendig sei aber auch die Vermeidung von Missbrauch. „Den gibt es auch in sehr großer Zahl – insbesondere aus dem Westbalkan.“ Die dritte Säule sei die Bekämpfung der Fluchtursachen. „Das heißt, dort stärker zu helfen, wo die Menschen herkommen, damit sie in ihrer Heimat bleiben können.“

Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) verwendete am Sonntag den Begriff „Völkerwanderung“ und fügte hinzu: „Machen wir uns nichts vor.“ Wenn nicht bald reagiert werde, „wird es uns am Ende allen auf die Füße fallen, egal, welches Parteibuch wir haben“, sagte er in Erfurt.

Empörung herrscht bei deutschen Politikern über rechte Ausschreitungen gegen Flüchtlinge in Sachsen. In der Stadt Heidenau südöstlich von Dresden haben Rechtsradikale und Rassisten zwei Nächte in Folge vor einer Notunterkunft für 600 Flüchtlinge randaliert und Polizisten angegriffen. 31 Beamte wurden verletzt, als Rechtsextreme sie mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern bewarfen. Die Polizei, die Tränengas und Pfefferspray einsetzte, richtete sich darauf ein, dass die Gewalttäter am Sonntagabend oder in den kommenden Tagen zurückkehren.

„Das ist Menschenhass mit erschreckender Gewalt gegen Polizisten und gegen Flüchtlinge, die bei uns Schutz suchen“, erklärte Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU), der am Sonntag Heidenau besuchte. Hier verstoße eine Minderheit „brutal“ gegen Werte und Gesetze Deutschlands. Mehrere Bundesminister verlangten, ausländerfeindliche Gewalttaten mit aller Härte zu ahnden.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) und Vizekanzler Sigmar Gabriel forderten, Polizei und Justiz müssten „mit aller Härte“ gegen rechtsradikale Gewalttäter vorgehen. Gabriel kündigte an, am heutigen Montag die Flüchtlinge in ihrer Unterkunft zu besuchen. Der Wirtschaftsminister wäre das erste Mitglied der Bundesregierung, das sich vor Ort ein Bild macht.

Die Grünen forderten ein Eingreifen der Kanzlerin. „Ich warne vor einem neuen rechten Terrorismus a la NSU. Die Zögerlichkeit von Angela Merkel, hier die richtigen Worte zu finden, kann ich nicht mehr verstehen“, sagte die Fraktionschefin im Bundestag, Katrin Göring-Eckhardt.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft bescheinigte der Politik Konzeptionslosigkeit, während der Zuzug von Flüchtlingen steige. „Im Ergebnis werden Gewalt, Extremismus und auch Rechtsterrorismus folgen.“

Derweil ging die Rettungsaktion für Flüchtlinge im Mittelmeer weiter. Allein am Samstag wurden von der italienischen Küstenwache und Schiffen weiterer Nationen 4400 Menschen aus Seenot gerettet. Dies ist der höchste Wert für einen einzigen Tag seit Jahren. Die Küstenwache hatte im Laufe des Tages Notrufe von 22 Flüchtlingsbooten auf der Überfahrt nach Libyen erhalten.

-> Leitartikel Seite 2 -> Politik Seite 4

Prognose

Nach der jüngsten Prognose rechnet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit der Rekordzahl von 800 000 Asylbewerbern in diesem Jahr. Die damit verbundenen Kosten – 2014 waren es etwa 2,2 Milliarden Euro – dürften sich vervielfachen. Am 24. September ist ein Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern geplant.

 
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