Die verbale Ohrfeige für den amerikanischen Präsidenten Donald Trump ließ nicht lange auf sich warten. „Wir sollten uns dem Protektionismus entgegenstellen: Er ist ein Risiko für Europa und die Welt.“ EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström gab mit diesen einleitenden Worten zum europäisch-chinesischen Gipfeltreffen am Freitag die Richtung vor.
Li Keqiang, der Premierminister aus Peking, hatte keine Einwände und betonte seinerseits die Bedeutung von Marktwirtschaft und freiem Welthandel für das Reich der Mitte – und das mit Worten, die man so deutlich noch von keinem chinesischen Regierungschef gehört hatte: „Wir müssen Regeln einhalten, besonders internationale Regeln“, betonte der chinesische Premier. „Sonst wird die Welt ein Dschungel ohne jegliches Gesetz.“
Während sich die USA immer mehr auf die eigene Weltsicht konzentrieren, rückten Europa und China in Brüssel erkennbar näher zusammen – trotz aller Meinungsverschiedenheiten, die am Abend allerdings einen harmonischen Abschluss verhinderten.
Ein Absatz der Schlusserklärung, in der der Status Chinas als Marktwirtschaft zementiert werden sollten, stieß bei den Europäern auf Widerspruch. Nach einigem Hin und Her ließ man das Treffen ausklingen, ohne das Papier mit umfangreichen Festlegungen zum Klimaschutz und zum Handeln zu unterschreiben.
Ein Misston, der zunächst nicht erwartet worden war, der ab die Empfindlichkeiten zwischen den neuen Freunden deutlich dokumentiert. Dabei hatte man vorher in aller Offenheit über die Probleme, die beide Seiten miteinander haben, diskutiert: „Es kann immer noch schwer sein, mit China Geschäfte zu machen“, kritisierte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker unter Hinweis auf die Entwicklung der Investitionen: Das Reich der Mitte legte im vergangenen Jahr um 77 Prozent mehr Geld in der EU an als noch 2015. Dagegen gingen die europäischen Investitionen um fast ein Viertel zurück.
Gelassen reagierte Li, zeigte sogar Selbsterkenntnis: „Wir sind nicht zufrieden“, antwortete er. Aber er hoffe, dass China ein „Magnet“ bleibe. Der freie Handel sei dafür unerlässlich. Alles schön und gut, wiesen ihn die europäischen Vertreter zurück. Dafür gebe es jedoch noch zu viele Baustellen. Die Arbeiten am Investitionsabkommen stocken, beim Schutz der Menschenrechte, den Juncker und Ratspräsident Donald Tusk eigens ansprachen, komme man nicht weiter.
Dafür wurden nun Vereinbarungen zum Schutz des geistigen Eigentums und für mehr Zusammenarbeit in Forschungsfragen vereinbart. Ratspräsident Tusk sprach trotz des fehlenden ehrgeizigen Klimaschutz-Versprechens am Ende von dem besten und ertragsreichsten Treffen, das es zwischen der europäischen und der chinesischen Spitze gegeben habe. Dabei war dem Kommissionspräsidenten die wachsende Nähe zu Peking anfangs sogar eher unangenehm: „Ich bin nicht sehr glücklich über die Idee, dass wir vielleicht noch enger mit China zusammenarbeiten werden als mit Amerika.“
Gegenüber Li stellte Juncker allerdings seine Bedenken zurück: „Ich habe nie ein Geheimnis aus meiner Zuneigung und Bewunderung für Ihre große Nation und das chinesische Volk gemacht“, sagte er. „Trotz der Meinungsverschiedenheiten.“
Li revanchierte sich zwar, kritisierte allerdings scharf das EU-System der Schutzzölle gegen Billigimporte. Dennoch gebe es ein „wachsendes Verständnis“ für die Sichtweisen der jeweils anderen Seite, hieß es zum Abschluss.
Ob sich das auch in konkreten politischen Schritten zur Öffnung für den anderen niederschlägt, wollte am Freitag noch niemand sagen. „Die Stunde für Veränderungen und neue Allianzen“ sei jedenfalls günstig, sagte ein EU-Offizieller nach der Begegnung.