Es gibt eine schöne Geschichte zu Donald Trump, er hat sie in einem seiner Bücher erzählt: 1982 besuchte eine Delegation potenzieller Investoren Atlantic City, wo der aufstrebende Immobilienzar ein Casino zu eröffnen gedachte. Weil Trump statt emsiger Bauarbeiten wenig mehr als eine Brache vorzuweisen hatte, ließ er das Gelände mit Maschinen vollstellen und wies seine Leute an, Aktivität zu heucheln. Bis heute ist er stolz auf den Budenzauber: „Das nennt sich Geschäft“, bekräftigte er vor kurzem.
Inszenierung ist Trumps große Stärke, Improvisation seine liebste Herausforderung. Beide Talente konnte er brauchen bei seinem bislang kritischsten Auftritt – dem Republikaner-Parteitag in Cleveland. Die Krönung des Präsidentschaftskandidaten war voller Pannen, das ging bei einem Unfall seiner Karawane auf der Hinfahrt los und endete mit den Stromunterbrechungen noch lange nicht, die die Quicken Loans Arena mehrfach in unprofessionelles Flackern tauchten. Auch altgediente Beobachter können sich an keinen Parteitag mit so leeren Zuschauerrängen erinnern.
Von Protesten um den Wahlmodus über die unfreiwillige Michelle-Obama-Huldigung der Kandidatengattin bis zum Eklat am Mittwoch, als Vorwahlrivale Ted Cruz in Buhrufen versank, weil er Trump in einer eitlen Grundsatzrede kaum erwähnte: Vergeblich hofften die Delegierten auf einen geeinten Aufbruch aus ihren nagenden Zweifeln. Im Gespräch ist es verblüffend schwierig, echte Trump-Fans zu finden.
Die 53-jährige Trainerin Heather Cordasco ist als Zuschauerin aus Virginia angereist, seit Jahren zieht sie im Wahlkampf für die konservative Sache von Tür zu Tür. Diesmal macht sie sich große Sorgen. „Demokraten stimmen im Herbst für Hillary Clinton“, berichtet sie aus den bisherigen Hausgesprächen. „Republikaner dagegen wissen nicht einmal, ob sie wählen gehen.“
Trump hat der Partei noch im Frühjahr gesagt, er sei nicht auf sie angewiesen. „Wie will er da die zahllosen Helfer vor Ort aktivieren, ohne die es nicht geht? Er müsste bescheidener auftreten. Und dann die dauernde Grobheit – das zieht den Bodensatz an, der uns ein hässliches Image verleiht.“ Cordasco hätte lieber Cruz oder Marco Rubio vorne gesehen.
Auch Bette Grande aus North Dakota ist nicht glücklich darüber, dass ihr Favorit Cruz aus dem Rennen ist. Trumps anscheinende Prinzipienlosigkeit, seine Selbstwidersprüche und das verbale Zündeln – „diese Dinge quälen mich enorm“.
Trump weiß natürlich, wie man Schwächen mit Spektakel übertüncht. Auftritte mit Jet und Hubschrauber gehören genauso zum Programm wie die Bilderbuchkinder, die dem vielfach der Lüge überführten Ehebrecher Werte und Wahrheitsliebe bescheinigen.
Doch hinter den Kulissen geht es weniger idyllisch zu. „Die Abstimmung war manipuliert“, schimpft die 74-jährige Delegierte Marty Neilson aus Colorado, die lieber Carly Fiorina oder Ted Cruz ins Weiße Haus geschickt hätte. „Insgesamt bin ich enttäuscht.“
Womöglich wird Trumps Erfolg sich daran entscheiden, ob seine Hemdsärmeligkeit den Anforderungen einer nationalen Präsidentschaftskampagne gewachsen ist. Namentlich zitieren lassen will sich niemand damit, aber hinter vorgehaltener Hand beklagen Eingeweihte verzweifelt, dass es bislang weder Wählerdatenbanken noch eine personelle Struktur im Land gibt.
Craig Dunn, Delegierter für Indiana, ist auch nicht immer glücklich mit dem Klima, das die Trump-Kampagne umgibt. „Ich habe zu Beginn des Wahlkampfs in einem Interview mal gesagt, dass ich überlegen würde, für Trump zu stimmen, wenn Satan sein Gegner wäre“, erinnert sich der 62-Jährige. „Da habe ich Morddrohungen bekommen.“
Inzwischen ist Dunn aber auf Linie geschwenkt. „Die Zukunft unseres Landes und auch diejenige Ihres Landes ist zu wichtig, um sie Hillary Clinton zu überlassen.“
Die leeren Zuschauerränge machen Dunn genauso wenig Kopfzerbrechen wie die Skepsis eingefleischter Republikaner. „Es kostet mindestens 2500 Dollar, aus Indiana hierherzureisen. Trumps Anhänger haben dieses Geld nicht. Das sind auch nicht die Leute, die bislang gewählt haben“, sagt der Mann, der in seinem Bezirk Howard County den Parteivorsitz hat. „Ich habe aber in meinem ganzen Leben noch keine solche Massenbewegung erlebt.“ Dunn erinnert an die britische Brexit-Abstimmung und an Bernie Sanders‘ Erfolg bei den Demokraten: „Das sind alles Aspekte desselben Phänomens. Es gibt unglaublich viel Anspannung und Zorn im Land.
Nicht bei mir, mein Leben ist angenehm verlaufen“, sagt Dunn, der als Investmentberater arbeitet. „Aber fragen Sie mal die Leute, die nach der Finanzkrise Job und Haus verloren haben.“
Persönlicher Enthusiasmus sieht anders aus, doch Dunn glaubt an den Sieg. Und natürlich kann, wer sucht, auch in Cleveland Hardcore-Fans finden – am ehesten in der Delegation von Trumps Heimatstaat New York. „Ich unterstütze alles, was er vertritt“, verkündet Anthony Scannapieco aus dem Bezirk Putnam. Trumps Provokationen findet er gut: „Wir haben Redefreiheit in diesem Land, aber die Liberalen erzählen uns etwas von politischer Korrektheit, Schutzzonen und verbotenen Hassreden. Die mögen ja nicht jedem gefallen, aber es sind immer noch Reden. Man muss das sagen dürfen.“
Trumps mangelnde politische Erfahrung ist für den 67-Jährigen auch kein Problem: „Er wird sich mit guten Experten umgeben. Vizekandidat Mike Pence war schon mal eine ausgezeichnete Wahl.“ Indianas Gouverneur hielt am Mittwoch eine solide Rede, die einen klaren Kontrast zum restlichen Programm bildete: Sie war auch in den Anti-Clinton-Passagen maßvoll und staatstragend.