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Schwierige Einreise nach Nordkorea
Das Gespräch führte William Harrison-Zehelein
 |  aktualisiert: 24.05.2022 09:34 Uhr

Um in Nordkorea einen Dokumentarfilm drehen zu dürfen, hat die gebürtige Südkoreanerin Sung Hyung Cho ihre Staatsbürgerschaft geändert. Von dem geheimnisvollen Land hat sie nun ein ganz neues Bild.

Frage: Frau Cho, wie kamen Sie auf die Idee, über Nordkorea eine Filmdokumentation zu drehen?

Sung Hyung Cho: Ich wollte endlich mal nach Nordkorea reisen. Als Südkoreanerin durfte ich das bislang nicht. So habe ich meine südkoreanische Staatsbürgerschaft aufgegeben und die deutsche angenommen. Erst dann durfte ich einreisen. Das war für mich wie ein Wunder. In Südkorea gilt es als Staatsverrat, wenn man nach Nordkorea geht. Deshalb war ich mit der deutschen Staatsbürgerschaft auch viel sicherer.

Was wollen Sie mit Ihrem Film „Meine Brüder und Schwestern im Norden“ den Menschen sagen?

Cho: Dass wir unser negatives Bild von Nordkorea revidieren müssen. In der Schule ist mir in Südkorea beigebracht worden, dass die Nordkoreaner rote Gesichter und zwei Hörner auf dem Kopf haben. Sie werden als Unmenschen und Feinde dargestellt. Das ist aber in der Tat nicht so. Der Film soll ein differenziertes Bild von Nordkorea vermitteln und zeigen, wie die Leute dort leben.

Und wie leben sie?

Cho: Man muss das Land getrennt sehen: Es gibt das politische System und es gibt die Menschen. Vor den Menschen habe ich großen Respekt. Sie sind entgegen den Behauptungen wahnsinnig herzlich und legen viel mehr Wert auf Tradition als die Südkoreaner. Wie die Bauern auf dem Land ackern und für ihr kleines Glück kämpfen ist bewundernswert. Auch die Frauen sind sehr stark. Ich habe dort gesehen, wie verkehrt unsere westliche Gesellschaft im Vergleich dazu ist: Man sieht dort keine Reklame und auch keinen Müll. Es mangelt den Leuten an vielem, aber sie leben sehr nachhaltig und ökologisch. Davon können wir uns eine Scheibe abschneiden. Das politische System ist allgegenwärtig, die Porträts der großen Führer wie Kim Il Sung oder Kim Jong Il hängen an jeder Straßenecke und in jedem Wohnzimmer.

Die Politik Nordkoreas spielt in Ihrem Film eine eher untergeordnete Rolle. Warum ist das so?

Cho: Politische Themen haben wir im Film ausgeklammert. Das wollte die nordkoreanische Regierung nicht. Der Film sollte nicht zu politisch sein. Man hätte die Gesprächspartner mit politischen Fragen in Verlegenheit oder gar Gefahr gebracht.

Wie denken die Menschen in Nordkorea über Kim Jong Un?

Cho: Mensch, was für eine Frage! Darüber habe ich mich mit meinen Protagonisten nicht auf eine direkte Art unterhalten. Möchten Sie wissen, wie die Europäer im Mittelalter über Gott gedacht haben?

Das würde den Rahmen dieses Interviews wohl sprengen. Kommen wir zurück zum Thema: Wie lief die Produktion des Films ab? Gab es Schwierigkeiten?

Cho: Eines der größten Probleme war, dass ich nicht wusste, wo genau der Film überhaupt gedreht werden soll, da ich vor der Reise ja noch keine Ahnung vom Land hatte. Ich habe der nordkoreanischen Regierung mitgeteilt, dass ich in der Hauptstadt Pjöngjang, auf dem Land und in einer Hafenstadt drehen will. Zudem gab ich an, dass ich mit Intellektuellen, Arbeitern und Bauern reden möchte. Die Regierung hat folglich „Musterbeispiele“ von Orten und Menschen ausgewählt und uns eine nordkoreanische Produktionsfirma zur Seite gestellt, die mein Team bei der Reise durch das Land begleitet hat. Die Produktion des Films war durch diese Beeinflussung der Regierung schon sehr eingeschränkt.

Können Sie das anhand eines Beispiels erklären?

Cho: Ich musste mich beim Dreh auf diejenigen Menschen einschränken, die vorher von den nordkoreanischen Partnern ausgewählt wurden. Ich konnte also nicht spontan die Menschen auf der Straße interviewen. Das hätte ich aber gerne getan, als ich Menschen auf der Autobahn gesehen habe, die am Straßenrand saßen. Ich wollte am liebsten aus dem Auto aussteigen und fragen, was sie da machen und worauf sie warten. Aber das ging nicht.

Hatten Sie den Eindruck, dass die Leute dort wirklich glücklich sind?

Cho: Was ist denn das für eine Frage! Ein Volk kann man nicht pauschal beschreiben. Welches Volk ist schon glücklich? Die Deutschen sind es gewiss auch nicht immer. Auch die Nordkoreaner haben Tage, an denen sie glücklicher und manchmal auch weniger glücklich sind. Sie sind sehr kontrolliert und lernen von Kindesbeinen an, sich zu inszenieren. Je privilegierter die Menschen dort sind, desto gelassener sind sie auch.

Funktioniert dann das kommunistische System dort?

Cho: Das ist schwer zu sagen. Die Gesellschaft wird jedenfalls immer pragmatischer und fortschrittlicher. Die schweren Hungersnöte der 90er Jahre, als unzählige Menschen verhungert sind, gehören der Vergangenheit an. Das Land hat sich verändert und man findet in vielen Ecken der Gesellschaft marktwirtschaftliche Ansätze.

Glauben Sie nach dieser Reise an eine Wiedervereinigung Koreas?

Cho: Ich hoffe es sehr. Schließlich sind wir uns sehr ähnlich und gehören eigentlich zusammen. Nordkorea wäre sogar bereit für eine Zusammenarbeit und einen wirtschaftlichen Austausch. Aber Südkorea hat wenig Interesse an einer Wiedervereinigung, da sie auch gesehen haben, was die deutsche Wiedervereinigung gekostet hat. Diese Denkweise ist sehr kurzsichtig und sehr schade. Ich fühle mich jedenfalls seit meiner Reise als Gesamtkoreanerin.

Sung Hyung Cho

Die Deutsch-Koreanerin Sung Hyung Cho, geboren 1966, ist von Beruf Filmregisseurin. Sie studierte in Seoul Kommunikationswissenschaft und kam 1990 nach Deutschland, wo sie ein Studium der Kunstgeschichte, Medienwissenschaften und Philosophie in Marburg absolvierte. Danach begann sie ihre ersten Filme zu drehen. Ihr erster großer Erfolg war 2006 der Dokumentarfilm „Full Metal Village“ über das Wacken Festival. Im Sommer 2016 kam ihr neuer Dokumentarfilm „Meine Brüder und Schwestern im Norden“ in die deutschen Kinos. Dafür musste sie ihre südkoreanische Staatsbürgerschaft aufgeben und die deutsche annehmen, da sie sonst keine Einreise- und Dreherlaubnis für Nordkorea bekommen hätte. Seit 2011 ist Cho zudem Professorin für Künstlerischen Film an der Hochschule der Bildenden Künste Saar in Saarbrücken. Harrison-Zehelein/Foto dpa
 
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