Verhaftungen vor der Ankunft, Begrüßung im Regen, Wirtschaftsgespräche unter Vorbehalt: Im kommunistischen Kuba ist erstmals seit 88 Jahren wieder ein amtierender US-Präsident zu Gast, und die Atmosphäre entspricht der komplizierten politischen Lage. Barack Obama erhofft sich engere Verbindungen und langfristig mehr Selbstbestimmungsrechte für Kubas Bürger. Raúl und Fidel Castro, die das Inselreich seit 1959 regieren, zielen auf ökonomischen Fortschritt, ohne ihre Kontrolle zu lockern.
„Kubaner und Amerikaner knüpfen zurecht große Erwartungen an den Besuch Obamas“, erklärte unterdessen der deutsche Botschafter in Kuba, Thomas Neisinger gegenüber dieser Redaktion. „Sie wollen nach 57 Jahren wieder normale nachbarschaftliche Beziehungen.“ Bis sich die Verhältnisse tatsächlich normalisieren, werde es aber noch einige Zeit dauern, glaubt der aus Würzburg stammende Diplomat. „Der US-Kongress ist noch nicht bereit, die Sanktionsgesetzgebung aufzuheben. Und die Unterschiede zwischen den USA und Kuba in politischen Fragen, bei der Interpretation und Gewährung der Menschenrechte etwa, sind noch tief.“
Menschenrechte als Thema
Am Dienstag will sich Obama im Fernsehen an die Bevölkerung wenden und dabei auch die Menschenrechtssituation thematisieren. Wenige Stunden vor seiner Landung hatte das Castro-Regime klargestellt, dass es in diesem Bereich keine Zugeständnisse zu machen gedenkt: Am Sonntag waren Dutzende Angehörige der Dissidentenorganisation Damas de Blanco (Damen in Weiß) bei einem Protest verhaftet worden.
Der US-Präsident landete zusammen mit seiner Frau Michelle, den Töchtern Malia und Sasha sowie Schwiegermutter Marian Robinson in Havanna. Nach einem Besuch der 2015 eröffneten US-Botschaft spazierte die Familie unterm Regenschirm durch die Altstadt, während Passanten „Obama“ und „USA!“ riefen. Ein Besuch in der katholischen Kathedrale stärkte der einzigen regierungsunabhängigen Großinstitution den Rücken, das Abendessen nahm der Besucher in einem privat geführten Restaurant ein.
Obama steht daheim unter Druck: Beobachter werfen ihm vor, seinen Besuch an zu wenig Bedingungen geknüpft zu haben. Seit das Weiße Haus vor gut einem Jahr begann, die Beziehungen zu normalisieren, ist der Umgang des Castro-Regimes mit Kritikern harscher geworden. Im Vorfeld der Reise hatte es so ausgesehen, als wolle Kubas Regierung Obama allenfalls ein Treffen mit handverlesenen Vertretern der Zivilgesellschaft gewähren, keinesfalls aber Kontakt zu echten Dissidenten. Offenbar hat das Weiße Haus sich schließlich doch durchsetzen können: Barack Obama soll mit rund einem Dutzend Regimekritiker zusammentreffen, deren Namen bislang geheim gehalten werden. Die Leiterin der Damas de Blanco und der Chef der größten Dissidentenorganisation, Unión Patriótica de Cuba, bestätigten Medien aber ihre Teilnahme.
US-Hymne im Revolutionspalast
Zuvor wird eine rund 40-minütige Fernsehansprache aus dem Nationaltheater erwartet. Dort hatte 1928 Calvin Coolidge als bislang letzter US-Präsident gesprochen. Entsprechend historisch bewertet Botschafter Neisinger den Obama-Besuch: Damit sei „eines der letzten Kapitel des Kalten Krieges endgültig Geschichte“, sagte er.
Im Revolutionspalast traf Obama dann Staatschef Raúl Castro. Erstmals ertönte bei dem Besuch Obamas die US-Hymne für einen US-Präsidenten im Präsidentenpalast – bei der Begrüßung mit militärischen Ehren. Castro fordert eine vollständige Aufhebung des US-Handelsembargos und eine Rückgabe des seit 1903 unter US-Kontrolle stehenden Stützpunktes Guantánamo. Er will im Zuge der Annäherung mehr ausländische Investoren anlocken und vor allem durch mehr Touristen die staatlichen Einnahmen erhöhen. Auch die EU will ihre Beziehungen zu Kuba ausweiten.
Nach der Revolution und dem Wandel Kubas zum Sozialismus gab es eine jahrzehntelange Feindschaft zwischen Kuba und den USA. Kuba band sich eng an die Sowjetunion, 1962 war die Welt nach der Stationierung sowjetischer Raketen am Rande eines Atomkrieges. Die USA straften Kuba mit einem Embargo.
Das erste Treffen von Obama und Raúl Castro fand im April 2015 in Panama beim Amerika-Gipfel statt, das zweite am Rande der UN-Vollversammlung im Herbst vergangenen Jahres. Ein Treffen Obamas mit Revolutionsführer Fidel Castro war bei dem Besuch in Kuba nicht geplant. Mit Informationen von ben/dpa