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ATHEN
Schwere Unruhen auf Chios
Gerd Höhler
Gerd Höhler
 |  aktualisiert: 11.04.2016 03:34 Uhr

Schlechte Vorzeichen für die ab Montag geplanten Rückführungen von Flüchtlingen in die Türkei: Die Situation in den griechischen Flüchtlingslagern gerät immer mehr außer Kontrolle. Nachdem es an den Vortagen bereits in mehreren Notunterkünften zu Unruhen kam, gingen in der Nacht zum Freitag auf der Insel Chios syrische und afghanische Flüchtlinge aufeinander los. Junge Männer attackierten einander mit Fäusten, Schlagwerkzeugen und Messern. Was die Randale auslöste, ist unklar. Zwei Menschen wurden durch Messerstiche schwer verletzt.

Das Lager glich einem Schlachtfeld. Die Polizei setzte Blendgranaten ein, um die Tumulte zu beenden. Die randalierenden Flüchtlinge attackierten auch ein Sanitätszelt der Hilfsorganisation Ärzte der Welt und zerstörten medizinische Geräte und Hilfsgüter im Wert von 30 000 Euro. Die Organisation zog sich daraufhin aus dem Lager zurück. Sie stellte ihre Arbeit auf Chios vorerst ein. Am Freitag traf aus Athen eine Einheit der Bereitschaftspolizei auf der Insel ein. Sie soll im Lager für Ruhe und Ordnung sorgen.

Neue Übergriffe befürchtet

Am Freitag verließen Hunderte syrische Flüchtlinge aus Furcht vor neuen Tumulten das Lager auf Chios. Sie hatten zuvor den Zaun, der die Unterkunft umgibt, an mehreren Stellen aufgeschnitten. Die Menschen, unter ihnen viele Familien mit Kindern, machten sich zu Fuß zum Hafen der Insel auf. Sie wollen dort in einer leerstehenden Lagerhalle Zuflucht vor befürchteten neuen Übergriffen afghanischer Migranten suchen. „Unser Leben ist in dem Lager nicht mehr sicher“, sagte ein syrischer Familienvater zu Reportern. Beobachter vor Ort schätzten am Freitag, von den knapp 1600 Flüchtlingen sei etwa die Hälfte aus dem Lager geflohen.

Polizeikräfte verstärkt

Auch an den anderen Hotspots auf Lesbos, Samos und Leros sollen die Polizeikräfte jetzt verstärkt werden. Proteste wurden am Freitag auch aus einer Flüchtlings-Notunterkunft im nordgriechischen Ioannina gemeldet. Vor zwei Tagen war es bereits im Hafen von Piräus, wo fast 5400 Flüchtlinge campieren, zu Schlägereien zwischen Afghanen und Syrern gekommen.

Die zunehmenden Unruhen in den griechischen Flüchtlingslagern wecken Befürchtungen: Am Montag sollen die Abschiebungen von Flüchtlingen aus Griechenland in die Türkei beginnen. Seit der Vereinbarung mit der Türkei halten die griechischen Behörden die aus der Türkei ankommenden Menschen auf den Inseln fest und lassen sie nicht aufs Festland weiterreisen. Die als Registrierungszentren gedachten Hotspots sind damit praktisch zu Internierungslagern geworden. Das sorgt für Unruhe unter den Flüchtlingen, zumal manche Unterkünfte überfüllt sind. So ist das Lager auf Chios für 1100 Menschen ausgelegt, beherbergte aber zuletzt nach offiziellen Angaben 1529 Personen.

 
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