Bei der Erreichbarkeit der nächsten Bus- oder Bahnhaltestelle gehört Bayern im bundesweiten Vergleich zu den Schlusslichtern. Unter den Flächenländern nimmt der Freistaat den vorletzten Platz ein, hat die Allianz pro Schiene in einem Ranking ermittelt. Nur in Mecklenburg-Vorpommern müssen die Menschen noch weiter laufen, um einen Bus oder die nächste Bahn zu erreichen. Den ersten Platz belegt Hessen, Platz zwei geht ans Saarland, gefolgt von Nordrhein-Westfalen. Baden-Württemberg belegt Rang vier. Einen Lichtblick allerdings gibt es in Bayern: Schweinfurt weist unter allen Städten und Landkreisen in Deutschland das dichteste Netz an Haltestellen im öffentlichen Verkehr auf.
Für das Ranking wurde ermittelt, wie viel Prozent der Bevölkerung eines jeden Bundeslandes die Chance haben, innerhalb einer Strecke von 600 Metern Luftlinie eine Bushaltestelle beziehungsweise innerhalb von 1,2 Kilometern einen Bahnhof mit mindestens 20 Abfahrten am Tag zu erreichen. Das von der Allianz pro Schiene ermittelte Ergebnis basiert auf Daten des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) und wird am Mittwoch offiziell vorgestellt. Die Untersuchung lag unserer Zeitung vorab vor.
Alarmierendes Resultat
Bayern liegt im Erreichbarkeits-Ranking trotz des guten Ergebnisses für Schweinfurt deshalb so weit hinten, weil die fünf Landkreise mit dem schlechtesten Ergebnis alle im Freistaat zu finden sind. Das Schlusslicht bildet bundesweit der Landkreis Freyung-Grafenau. Für den Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege, ein insgesamt alarmierendes Resultat. „Gerade im Freistaat Bayern sind die Menschen in vielen Regionen auf erschreckende Weise abgehängt vom öffentlichen Verkehr. Von der Vorbildfunktion, die Bayern gerne für sich in Anspruch nimmt, ist hier nichts zu sehen“, erklärte er.
Bundesweit stehen dem Ranking zufolge Frankfurt am Main, Mainz und – als weitere bayerische Ausnahme - Bamberg gut da. Den ersten Platz unter den Landkreisen belegt der Main-Taunus-Kreis. Dort erreichen 99,48 Prozent der Einwohner eine Haltestelle innerhalb der geforderten Entfernung. Ein solches Resultat schaffen laut Allianz pro Schiene gewöhnlich nur größere Städte. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 89,7 Prozent.
Für die Einwohner der Stadt Schweinfurt sind die Wege zu Bus und Bahn sogar kürzer als für Berliner, Hamburger oder auch Münchner. „Mit diesem Angebot an Haltestellen und Bahnhöfen ragt Schweinfurt heraus“, lobte Flege.
Länder und Kreise in der Pflicht
Der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene mahnte vor diesem Hintergrund eine ausgewogene Verkehrspolitik an. Auch dünn besiedelte Regionen dürften nicht vom öffentlichen Verkehr abgekoppelt werden, erklärte er und betonte: „Eine geringe Bevölkerungsdichte dürfen die Menschen den Verantwortlichen nicht als Ausrede für ein schlechtes Angebot an Haltestellen und Bahnhöfen durchgehen lassen.“ Beim Schienennahverkehr sind laut Flege insbesondere die Landesregierungen und beim Busverkehr die Landkreise gefordert.
Die Allianz pro Schiene sieht aber auch den Bund in der Pflicht, die Länder und Kreise stärker zu unterstützen. Das Verkehrsbündnis bekräftigte seine am Montag erhobene Forderung an den Bund, mit einem eigenen Programm die Reaktivierung stillgelegter Schienenstrecken zu unterstützen.
Eine gute Anbindung an Bus und Bahn ist laut Flege eine wichtige Voraussetzung für eine hohe Lebensqualität. „Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse muss sich mit diesen Erreichbarkeitsstatistiken beschäftigen und sie in ihren Vorschlägen berücksichtigen. Gleichwertige Lebensverhältnisse sind nur möglich, wenn man die Menschen auch auf dem Land nicht vom öffentlichen Verkehr abkoppelt.“ Die Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse soll bis Anfang Juli Vorschläge erarbeiten.