Von außen hat sich nichts verändert. Auf dem Dach von Schloss Bellevue, dem Amtssitz des Bundespräsidenten, weht die Flagge mit dem Bundesadler, ein Zeichen dafür, dass der erste Mann im Staate in Berlin weilt, vor dem Präsidialamt im Großen Tiergarten dreht ein einsamer Streifenpolizist im Nieselregen seine Runde.
Und doch ist alles anders. Joachim Gauck, fünf Jahre lang Hausherr im klassizistischen Schloss, ist seit Samstag um Mitternacht Pensionär, mit ihm haben seine wichtigsten Mitarbeiter ihre Schreibtische geräumt und ihre Büros verlassen.
Der Amtswechsel ist vollzogen, ruhig, unspektakulär, harmonisch. Nachdem sich Gauck und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt am Sonntag mit seinem Nachfolger Frank-Walter Steinmeier und dessen Frau Elke Büdenbender auf ein persönliches Gespräch bei einer Tasse Tee getroffen hatten, um eine reibungslose Übergabe der Geschäfte vorzunehmen, zog der frühere Außenminister am Montag in das Arbeitszimmer des Staatsoberhauptes ein und nahm offiziell seine Arbeit auf.
Neujahrsgrüße an den Iran
Als erste Amtshandlung gratulierte er seinem iranischen Amtskollegen Hassan Ruhani zum „Nouruz-Fest“, dem iranischen Neujahrsfest, wobei er ausdrücklich auch an das von ihm mitausgehandelte Nuklearabkommen erinnerte. Am morgigen Mittwoch schließlich wird er um zwölf Uhr mittags bei einer gemeinsamen Sitzung des Bundestags und des Bundesrats im Reichstagsgebäude seinen Amtseid ablegen und eine erste programmatische Rede halten.
Auch im neuen Amt setzt Steinmeier in seinem Umfeld auf vertraute Gesichter und Kontinuität. Er nahm seine engsten Mitarbeiter mit, so dass in Berlin bereits gespottet wird, das Präsidialamt sei nunmehr eine Nebenstelle des Auswärtigen Amtes, zumal die Protokollabteilung ohnehin für alle Staatsbesuche und Reisen zuständig ist.
Die wichtigste Personalie: Stephan Steinlein, bislang beamteter Staatssekretär im Außenministerium, wird als Nachfolger von David Gill neuer Chef des Bundespräsidialamtes und somit der protokollarisch ranghöchste Staatssekretär der Republik.
Steinlein arbeitet seit 1999 an der Seite Steinmeiers, zunächst als Pressereferent und Büroleiter im Bundeskanzleramt (1999 – 2005), dann als Büroleiter und Leiter des Leitungsstabes im Auswärtigen Amt in der ersten Großen Koalition 2005 bis 2009, schließlich als Staatssekretär in der zweiten Großen Koalition seit Januar 2014.
Auch Steinmeiers langjähriger Redenschreiber Wolfgang Silbermann, der seinen Chef und dessen Ansichten wie Überzeugungen wie kaum ein Zweiter kennt, wechselt ins Präsidialamt, ebenso die Leiterin seines Büros, Dörte Dinger, die bislang im Parlaments- und Kabinettsreferat des Auswärtigen Amtes tätig war. Einzig Neue im persönlichen Team des Staatsoberhauptes ist Pressesprecherin Anna Engelke, bislang Leiterin des NDR-Hörfunkstudios in Berlin.
Nach dem Ausscheiden Steinmeiers vom Amt des Außenministers am 27. Januar und seiner Wahl zum Präsidenten am 12. Februar hatten er und sein Team mehr als einen Monat Zeit, um sich auf die neue Aufgabe vorzubereiten.
Segen der Kirche
Sie taten dies in geradezu klösterlicher Abgeschiedenheit in den Räumlichkeiten der Katholischen Akademie Berlin an der Chausseestraße, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Brecht-Haus und zum Dorotheenstädtischen Friedhof, wo auch die Deutsche Katholische Bischofskonferenz ihren Berliner Sitz hat. Deren Vorsitzender, der Münchner Kardinal Reinhard Marx, ließ es sich nicht nehmen, die Büroräume persönlich zu segnen.
Nach insgesamt 2573 Tagen im Amt des Außenministers – nur Hans-Dietrich Genscher (FDP) und Joschka Fischer (Grüne) amtierten länger –, 220 Auslandsreisen, bei denen er nach eigenen Angaben exakt 977 751 Kilometer zurücklegte, endlosen Verhandlungen auf der internationalen Bühne und kurzen Nächten diente diese selbstauferlegte Klausur auch dazu, Distanz zum bisherigen Job wie zur aktuellen Tagespolitik zu gewinnen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und die Leitlinien für seine Präsidentschaft zu entwickeln – nach der Devise „Schweigen und arbeiten“ ohne öffentliche Auftritte, Reden oder Interviews.
Leitmotive seiner Präsidentschaft, die in unruhigen, geradezu krisenhaften Zeiten beginnt, könnten die Stärkung der Zivilgesellschaft und das Bekenntnis zur Demokratie werden. In seiner kurzen Dankesrede nach seiner Wahl am 12. Februar rief er die Deutschen auf, sich mutig den Herausforderungen der Gegenwart zu stellen und keine Angst vor der Zukunft zu haben, gleichzeitig aber auch entschieden die Werte der Freiheit und der Demokratie zu verteidigen. Wenn das Fundament der Werte des Westens anderswo wackele, „müssen wir umso fester zu diesem Fundament stehen“.