Faulende Zähne, schwarze Lungen und amputierte Raucherbeine – wer künftig weiter zum Glimmstängel greift, muss gute Nerven haben. Denn das Europäische Parlament hat am Dienstag in Straßburg ein umfangreiches Programm beschlossen, das vor allem Jugendliche und junge Erwachsene davon abhalten soll, zur Zigarette zu greifen.
Brüssel setzt dabei auf tabulose Abschreckung. 65 Prozent der Vorder- und Rückseite einer Schachtel sollen mit großen Warnhinweisen wie „Rauchen tötet!“ beschriftet werden. Die Mahnung muss auf den Seitenleisten wiederholt werden. Außerdem sind Schockfotos vorgeschrieben, für Markennamen, die nach Freiheit und Abenteuer klingen, bleibt nur noch wenig Platz.
Elektronische Glimmstängel
„Ich bin sehr erfreut über den Beschluss“, erklärte EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg nach der Abstimmung. Dabei hatten die Parlamentarier das ursprüngliche Papier der Kommission massiv zusammengestrichen. Von einem Verbot sogenannter Slim-Zigaretten, die aufgrund ihrer schlanken Form als Synonym für gesundes Qualmen missverstanden werden könnten, ist nun keine Rede mehr. Und auch die umstrittenen elektronischen Glimmstängel dürfen weiter frei verkauft werden. Kommissar Borg wollte sie zu Medikamenten umdeklarieren, um die Kontrollen erhöhen zu dürfen.
700 000 Menschen erliegen jedes Jahr in den 28 Mitgliedsstaaten den Nachwirkungen ihres Tabakkonsums – dies hat die Kommission gestern noch einmal betont. Der CDU-Europapolitiker und frühere Krankenhausarzt Peter Liese ergänzte: „Jeden Tag sterben in Deutschland mehr als 300 Menschen an den Folgen des Rauchens.“ Deshalb will die EU auch Zusatzstoffe wie Menthol verbieten. Die machen das Rauchen angenehmer, transportieren Giftstoffe aber auch schneller in die Lunge. Wissenschaftler wurden beauftragt, in den kommenden Monaten eine Positivliste jener Stoffe zu erstellen, die unbedenklich sind. Die Maßnahmen sollen deshalb vor allem die jungen EU-Bürger unter 24 Jahren vom Tabak fernhalten, nachdem Studien erwiesen hatten, dass derjenige, der in frühen Jahren nicht zum Anhänger des blauen Dunstes geworden ist, auch für den Rest seines Lebens rauchfrei bleibt.
Doch der Beschluss war umstritten. Während Unionsvertreter die Einigung mit großer Mehrheit (650 Ja-Stimmen, 43 Nein-Stimmen, 14 Enthaltungen) als „Beitrag für ein hohes Gesundheitsschutzniveau“ lobten, bedauerten Sozialdemokraten wie der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Parlaments, Matthias Groote, den weiterhin freien Verkauf von E-Zigaretten.
Aromastoffe im Tabak
Es sei „völlig inkonsequent und gefährlich“, dass Aromastoffe in Liquids – anders als in Zigaretten – nicht verboten, sondern weiterhin mit Karamell- oder Erdbeergeschmack erhältlich sein werden. „Die Aromastoffe gaukeln einen trügerisch angenehmen Tabakgeschmack vor und verwischen die Gefährlichkeit des Nikotins“, so Groote.
Grünen-Fraktionschefin Rebecca Harms warf den Befürwortern des abgespeckten Pakets vor, „nach der Pfeife der Tabaklobby zu tanzen“. Tatsächlich hatten Konzerne wie Philipp Morris mit massivem Lobbying die Abgeordneten zu beeinflussen versucht.
Bis zur Einführung der neuen Schachteln wird es allerdings noch dauern. Zunächst müssen sich Vertreter von Parlament, Mitgliedsstaaten und EU-Kommission auf den gestern beschlossenen Kompromiss einigen. 2016 sollen auch in Deutschland die Ekelpakete in den Regalen stehen.