Die „Russland-Affäre“ von US-Präsident Donald Trump zieht immer weitere Kreise. Was ist bislang bekannt und wie geht es weiter?
Woher rührt die ganze Aufregung?
Schon im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 gab es Gerüchte über eine Zusammenarbeit der Trump-Kampagne mit Kreml-nahen Kräften gegen Hillary Clinton. Nachdem Präsident Trump im Mai 2017 FBI-Direktor James Comey gefeuert hatte, weil dieser ihm keinen Persilschein ausstellen wollte, geriet die Regierung unter Druck und setzte Robert Mueller als unabhängigen Sonderermittler ein. Mueller macht nun seine Arbeit. Neben der angeblichen Konspiration untersucht sein Team auch eine mögliche Justizbehinderung durch den Präsidenten.
Betreibt Mueller eine parteipolitisch motivierte „Hexenjagd“, wie Trump behauptet?
Das ist Unsinn. Der 74-Jährige ist selbst Republikaner, verfügt über beste Referenzen, und wurde vom Vize-Justizminister der Trump-Regierung ernannt.
Was hat der Sonderermittler bislang herausgefunden?
Mueller hat zwei Dutzend russische IT-Experten und Geheimdienstoffiziere angeklagt, die im Netz den US-Wahlkampf beeinflusst und den Server der demokratischen Partei gehackt haben sollen. Zudem bekannten sich Trumps ehemaliger Sicherheitsberater Michael Flynn und sein außenpolitischer Berater George Papadopoulos schuldig, die Behörden über ihre Kontakte zu russischen Offiziellen belogen zu haben.
Welche Rolle spielen Paul Manafort und Michael Cohen?
Beides sind zwielichtige Figuren aus Trumps engstem Umfeld. Manafort managte im Sommer 2016 den Wahlkampf, und Anwalt Cohen schaffte als „Mann fürs Grobe“ dem Kandidaten mit fragwürdigen Methoden Probleme vom Hals. Mueller hat Manafort wegen Steuer- und Bank-Vergehen in seinem früheren Beraterjob für pro-russische Oligarchen in der Ukraine angeklagt. Am Dienstag wurde er in acht Punkten schuldig gesprochen. Das Verfahren gegen Cohen liegt bei der New Yorker Staatsanwaltschaft. Dort bekannte sich der Anwalt unter anderem schuldig, gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung verstoßen zu haben.
Weshalb sind diese Schuldsprüche wichtig?
„Es beweist keine Konspiration mit Russland (…) und es betrifft mich nicht“, hat Trump gekontert. Mit dem ersten Argument hat der Präsident recht: Einen Beweis für direkte Absprachen mit Moskau gibt es bislang nicht. Seine zweite Behauptung liegt aber daneben: Die Verurteilung von Manafort gibt der Mueller-Untersuchung eine neue Legitimation. Und Cohen hat den Präsidenten persönlich belastet, als er ihn unter Eid der Anstiftung zu illegalen Wahlkampfspenden bezichtigte. Beiden Vertrauten drohen mehrjährige Haftstrafen. Sie könnten versuchen, sich mit brisanten Informationen über Trump mildernde Umstände zu erkaufen.
Und wie war das mit „Stormy Daniels“?
Kurz nach der Geburt seines Sohnes Barron soll Trump 2006 Sex-Affären mit dem Pornostar Stephanie Clifford (alias „Stormy Daniels“) und dem Playboy-Model Karen McDougal gehabt haben. Als dies im Präsidentschaftswahlkampf 2016 bekannt wurde, überwies Cohen „in Absprache und auf Weisung des Kandidaten“ 130 000 Dollar Schweigegeld direkt an Clifford und 150 000 Dollar über einen Strohmann an McDougal. Trump hatte vor wenigen Wochen behauptet, er habe von den Deals nichts gewusst. Eine Tonbandaufnahme und Cohens Aussage unter Eid überführen ihn der Lüge.
Woher kam das Schweigegeld?
Cohen wurden die Auslagen nach seiner Aussage von Trumps Firmenkonglomerat erstattet. Weil die Zahlungen Negativschlagzeilen vermeiden und Trumps Kampagne helfen sollten, hätten sie deklariert werden müssen und waren in dieser Höhe illegal.
Welche Punkte sind noch heikel und unklar?
Eine ganze Menge. So hatten sich Manafort und Trumps Sohn Donald jr. im Sommer 2016 mit einer russischen Anwältin getroffen. Angeblich ging es um die Adoption russischer Kinder, tatsächlich bot die Anwältin Material für eine Schmutzkampagne gegen Hillary Clinton an. Vater Trump will davon erst später erfahren haben. Dem widerspricht Cohen. Auch stand Manafort zu dieser Zeit in Kontakt mit einem Putin-nahen russischen Oligarchen. Cohen soll sich in Prag mit einem russischen Agenten getroffen haben.
Was wird Mueller als Nächstes tun?
Darüber kann man nur spekulieren. Wahrscheinlich wird der Sonderermittler versuchen, Manafort und Cohen bis zu den endgültigen Urteilssprüchen zu einem Deal zu bewegen. Auch will er Trump persönlich vernehmen. Allerdings ist unklar, ob der Präsident zu einem Interview bereit ist. Seine Berater fürchten, dass er sich mit impulsiven Äußerungen selbst belasten könnte – zumal niemand weiß, was Don McGahn, der Anwalt des Weißen Hauses, in einem 30-stündigen Verhör preisgegeben hat.
Kann Trump seine Vertrauten begnadigen?
Ja. Der Präsident hat zuletzt mehrfach Straftäter aus offensichtlich politischen Motiven begnadigt. „Paul Manafort und seine wunderbare Familie tun mir leid“, twitterte er nun. Fox-Moderatorin Ainsley Earhardt berichtete nach einem Interview, Trump ziehe eine Begnadigung in Betracht. In der am Donnerstag ausgestrahlten Version des Gesprächs bleibt die Frage aber unbeantwortet. Der Schritt wäre heikel: Trump würde sich damit endgültig dem Vorwurf der Justizbehinderung aussetzen.
Kann der Präsident den Sonderermittler feuern?
Nicht direkt. Aber er könnte seinen Vize-Justizminister dazu anhalten oder diesen rauswerfen. Den Gedanken hat er mehrfach öffentlich geäußert und allerlei Drohungen ausgestoßen. Am Donnerstag erklärte er: „Ich mische mich nicht ein.“
Kommt Trump vor den Kadi?
Nach Auffassung des US-Justizministeriums ist die Anklage eines amtierenden Präsidenten nicht möglich.
Wie groß sind die Chancen auf eine Amtsenthebung des Präsidenten?
Kurzfristig gleich null, denn es gibt keine parlamentarische Mehrheit. Das könnte sich mit den Kongresswahlen im November ändern. Allerdings betont die demokratische Fraktionschefin Nancy Pelosi, die Amtsenthebung habe „keine Priorität“. Die Demokraten wollen mit Inhalten punkten und fürchten, ein „Impeach-Trump“-Wahlkampf könne im Gegenteil die rechten Wähler mobilisieren. Trump droht schon, im Falle seiner Amtsenthebung werde die US-Wirtschaft zusammenbrechen. Mit einer Mehrheit im Repräsentantenhaus könnten die Demokraten gleichwohl ein Impeachment-Verfahren einleiten. Voraussetzung sind allerdings „schwere Verbrechen und Amtsvergehen“ des Präsidenten. Ob ein Verstoß gegen die Kampagnenfinanzierung dafür ausreicht, ist fraglich. Etwas anderes wäre es, wenn es Mueller gelänge, dem Präsidenten eine Behinderung der Justiz oder die Zusammenarbeit mit dem Kreml nachzuweisen.
Schadet Trump die Affäre bei seinen Anhängern?
Bislang nicht. Rund 80 Prozent stehen in Umfragen hinter ihrem Idol. Die republikanische Partei ist weitgehend abgetaucht. Trump selbst bewertete seine Arbeit am Donnerstag offensiv: „Ich würde mir eine Eins plus geben.“