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Schütze handelte im Alleingang
Polizistenmörder: Gavin L. nahm sich offenbar für seinen Angriff in Baton Rouge den Täter von Dallas zum Vorbild. Dort waren am 7. Juli fünf Beamte getötet worden.
Three Police Officers Shot And Killed In Baton Rouge       -  Ein Polizeiauto mit Einschusslöchern wird in Baton Rouge zur weiteren Beweisaufnahme abtransportiert
Foto: Sean Gardner, afp | Ein Polizeiauto mit Einschusslöchern wird in Baton Rouge zur weiteren Beweisaufnahme abtransportiert
Dr. Jens Schmitz
Jens Schmitz
 |  aktualisiert: 11.12.2019 14:44 Uhr

Ist die Spirale der Gewalt noch zu stoppen? Zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage hat ein selbst ernannter Rächer in den USA gleich mehrere Polizisten erschossen, diesmal in Baton Rouge im Bundesstaat Louisiana. Erste Erkenntnisse zeichnen das Bild eines psychisch belasteten Einzeltäters, aber der Fall entlarvt die Anfälligkeit einer Gesellschaft, in der selbst Schnellschusswaffen weit verbreitet sind. Die Polizei findet kein Gehör mit ihrem Ruf nach stärkeren Kontrollen: Beim Republikanerparteitag in Cleveland werden hitzige Demonstrationen erwartet, auch dort ist Waffentragen erlaubt.

Der Anruf klingt bedenklich, aber in einem Staat mit laxen Gesetzen noch nicht zwingend nach etwas Illegalem: Am Sonntagmorgen meldet ein Notruf in Baton Rouge, dass sich in der Nähe eines Supermarktes ein Mann mit Sturmgewehr herumtreibe. Wenige Minuten später ist im Polizeifunk die Hölle los. „Officer down!“, heißt es mehrfach, „Beamter getroffen!“ Und: „Wir wissen nicht, wo der Schütze ist.“ „Es gab keine Worte, nur Schüsse“, sagt der Polizeichef von Baton Rouge später, L.J. McKneely.

Drei Beamte tötet Gavin L. an seinem 29. Geburtstag, bevor er selbst erschossen wird. Drei weitere sind verletzt. Es war eine offenbar geplante Attacke gegen die Polizei. Bis Montag wird ein klareres Bild des Täters erkennbar: Der ehemalige Marine stammt demnach aus Kansas City und war nach den tödlichen Anschlägen in Dallas nach Baton Rouge gefahren. In Dallas hatte ein Amokschütze am 7. Juli fünf Polizisten getötet, die einen Demonstrationszug begleiteten.

L. pflegte eine ausgedehnte Präsenz im Internet, wo er unter einem Pseudonym Texte, Fotos und Videos einstellte. Auf den Bildern ist ein afroamerikanischer Mann zu sehen, der sich über die vermeintliche Diskriminierung schwarzer US-Bürger durch Polizeibeamte beklagt und zum Widerstand aufruft: „Ihr müsst dagegenhalten!“

Auf seiner Fahrt nach Baton Rouge stattete L. Dallas offenbar sogar einen Besuch ab. In einem Video, das er am 8. Juli von dort aus einstellte, heißt es: „Ich wollte euch allen sagen, bringt mich nicht mit irgendeiner Bewegung in Verbindung. Ich habe meine eigenen Gedanken gedacht, meine eigenen Entscheidungen getroffen.

“ Per Twitter verlinkte er einen Bericht zum Mord an den Beamten in Dallas und erklärte, der dortige Schütze Micah J. sei „einer von uns! Meine Religion ist Gerechtigkeit.“

L. deutete frühere Mitgliedschaften in Schwarzenbewegungen wie der „Nation of Islam“ an. Das FBI hat aber keine Indizien dafür, dass seine Tat von irgendjemandem gesteuert wurde. Die Sicherheitsdienste haben derzeit generell keine Hinweise auf Gruppierungen, die gezielt Polizisten angreifen. Anfangs war in Baton Rouge befürchtet worden, dass an der Attacke mehrere Schützen beteiligt gewesen sein könnten. Inzwischen sind sich die Behörden sicher, dass es sich um einen Einzeltäter handelte.

L. bezeichnet sich in seinen Onlineprofilen als „Freiheitsstratege, Mental Game Coach, Ernährungsspezialist, Autor und Spiritueller Ratgeber“. Seine Onlinepräsenz zeigt Anzeichen von Verfolgungswahn und Verschwörungsparanoia. Der seit langem schwelende Streit um Polizeigewalt in den USA war neu aufgeflammt, als Beamte am 5. Juli in Baton Rouge den am Boden liegenden Schwarzen Alton Sterling erschossen hatten. Die örtliche Polizei hatte seither mehrfach Gewaltdrohungen erhalten.

Der Tod eines weiteren Afroamerikaners bei einer Verkehrskontrolle im Bundesstaat Minnesota und das Attentat auf die Beamten von Dallas hatten die Opferzahlen schon vor Sonntag erhöht. Sicherheitsdienste quer durch die USA hatten erneut dazu aufgerufen, Waffengesetze zu verschärfen. In Dallas hatten mehr als 20 Menschen offen bewaffnet an einer Demonstration teilgenommen, als der Amokläufer sein Feuer eröffnete. Das hatte für große Verwirrung gesorgt.

Der Chef der größten Polizeigewerkschaft von Cleveland, Ohio, bezeichnete es als „absoluten Wahnsinn“, dass Demonstranten beim aktuellen Parteitag der Republikaner ebenfalls mit Waffen auflaufen dürfen. Er rief Gouverneur John Kasich dazu auf, die entsprechenden Rechte für die Dauer des Konvents außer Kraft zu setzen. „Es ist mir egal, ob das gegen die Verfassung verstößt“, sagte Stephen Loomis, der Präsident der Cleveland Police Patrolmen?s Association. Kasich erklärte, er habe als Gouverneur kein Recht dazu.

Der Parteitag, der am Montag begann und bis Donnerstag dauert, soll den umstrittenen Immobilienunternehmer Donald Trump zum Präsidentschaftskandidaten küren. Es werden Zehntausende Demonstranten erwartet. Mehrere Gruppen haben angekündigt, bewaffnet zu erscheinen, unter anderem die Schwarzenbewegung New Black Panther Party und selbst ernannte Verteidiger Trumps.

 
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