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BERLIN
Schröder verteidigt die Agenda-Reformen
Besuch bei der SPD: Fraktionsvorsitzender Frank-Walter Steinmeier (rechts) freut sich über viel Beifall für Altkanzler Gerhard Schröder, den „Vater“ der Agenda 2010.
Foto: dpa | Besuch bei der SPD: Fraktionsvorsitzender Frank-Walter Steinmeier (rechts) freut sich über viel Beifall für Altkanzler Gerhard Schröder, den „Vater“ der Agenda 2010.
Von unserem Korrespondenten Rudi Wais
 |  aktualisiert: 12.03.2013 19:29 Uhr

Das Alter stimmt auch den Altkanzler milder. Vor zehn Jahren eilte Gerhard Schröder sogar in seiner Partei der Ruf voraus, einer der Totengräber des Sozialstaates zu sein. Nun, da er weiß, wie seine Reformen das Land seitdem vorangebracht haben, kann er auch damit leben, dass die Genossen wieder ein wenig an ihnen herumzudoktern beginnen. Seine Agenda 2010, sagt Schröder, sei ja nichts Ewiges wie die Zehn Gebote. „Und ich bin schon gar nicht Moses.“

Flotten Schrittes eilt der 68-Jährige aus dem Saal der SPD-Fraktion, die er gerade zum ersten Mal seit seiner Niederlage im Herbst 2005 wieder besucht hat. Immerhin jährt sich einiges in diesen Tagen – seine berühmte Rede vor dem Bundestag vom 14. März 2003, in der er die Deutschen auf härtere Zeiten und seine Agenda eingestimmt hat, aber auch das Nein seiner Regierung zum Irak-Krieg.

„Du stehst in der Mitte“, sagt Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier deshalb, als er mit Schröder und einem Fraktionssprecher vor die Hauptstadtpresse tritt und noch einmal an die schwierigen Debatten, die harten Kämpfe und die einsamen Entscheidungen erinnert, die sie damals durchlebt und durchlitten haben. Der eine als Kanzler. Der andere als Kanzleramtschef und Architekt der Agenda.

Entspannter, launiger Auftritt

Es ist ein entspannter, bisweilen launiger Auftritt, mit dem Schröder für zwei Stunden zurück in die Berliner Politik kehrt. Drinnen, in der Fraktion, habe er ganz den Staatsmann gegeben, erzählt die Nördlinger Abgeordnete Gabriele Fograscher. Draußen, vor den Kameras, schaltet er zumindest sporadisch in den Wahlkampfmodus und streut immer wieder kleine Bosheiten über die zögerliche Art der Kanzlerin, das Betreuungsgeld oder die teuren Reparaturarbeiten in Europa ein. Dass die SPD in den Umfragen weit zurückliegt, kümmert ihn kaum. Bei ihm in Niedersachsen, sagt er, habe der Union auch ihr populärer Regierungschef nichts geholfen. „Hier gibt es jetzt einen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten.“ Wie früher, als Kanzler, empfiehlt er seiner Partei auch jetzt Geduld: „Hinten werden die Enten fett.“

Dass sein ehemaliger Umweltminister Jürgen Trittin der SPD gerade vorgeworfen hat, sie habe damals keinen Mindestlohn gewollt, nimmt Schröder sportlich. Solche kleinen Ausfälle, schmunzelt er, habe es bei „meinem Freund Jürgen“ immer wieder mal gegeben. „Aber wenn es eng wurde, konnte man sich auf ihn verlassen.“ Gescheitert aber, das fügt Schröder dann doch noch hinzu, sei der Mindestlohn seinerzeit nicht an den Sozialdemokraten, sondern vor allem an den Grünen und an den Gewerkschaften, die um ihre Tarifautonomie gefürchtet hätten.

Das Wahlprogramm der SPD, in dem der Mindestlohn eine zentrale Rolle spielt, hat er bisher nur auszugsweise gelesen. „Das ist bei mir immer so“, grinst der Altkanzler. Prinzipiell jedoch, beteuert er, habe er kein Problem damit, wenn die Partei zehn Jahre nach seiner Agenda-Rede das eine oder andere Detail verändern wolle. Solange ihr Grundgedanke, das Fördern und Fordern, beibehalten werde, „bin ich der Letzte, der etwas dagegen hätte“. Damit dennoch niemand auf dumme Gedanken kommt, hat Schröder tags zuvor in der „Bild“-Zeitung allerdings schon plakativ eine „Agenda 2020“ gefordert und zu noch größeren Anstrengungen in der Bildungs- und Forschungspolitik aufgerufen. Nun fragt der Altkanzler provozierend in die Runde: „Wo soll die nächste Generation qualifizierter Facharbeiter denn sonst herkommen?“

Stehende Ovationen

Die sieben Jahre, die er nicht mehr hier war, sieht man ihm an. Das Gesicht etwas zerfurchter, die Schläfen etwas grauer, der Blick etwas müder: Es hat seine Zeit gedauert, bis die SPD ihren Frieden mit Schröder gemacht hat. Nun aber empfangen ihre Abgeordneten, von denen er viele schon nicht mehr richtig kennt, ihn mit stehenden Ovationen – und Frank-Walter Steinmeier erinnert noch einmal daran, was die damalige Oppositionsführerin Merkel über die Agenda gesagt habe, nämlich dass das Reformpaket kein großer Wurf sei. „Das müsste ihr heute eigentlich noch die Schamesröte ins Gesicht treiben“, kritisiert er. Schröder selbst belässt es bei der Bemerkung, seine Nachfolgerin habe der Agenda nichts Vergleichbares hinzugefügt.

 
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