Die USA wollen ihren Auslandsgeheimdiensten strengere Regeln geben. Ein Regierungssprecher hat einen entsprechenden Bedarf inzwischen eingeräumt. Der Kongress will unabhängig vom Weißen Haus die Aktivitäten aller Agenturen untersuchen. Die Spionage gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel überschreitet für viele eine rote Linie.
Dianne Feinstein hat ihre Meinung geändert. Die demokratische Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im US-Senat gehörte bislang zu den treuesten Verteidigern der Auslandsagentur NSA. Nun will sie erstmals seit Jahren eine komplette Überprüfung aller Schnüffelaktivitäten der USA. „So lang die Vereinigten Staaten nicht in feindliche Auseinandersetzungen mit einem anderen Land verwickelt sind oder es einen Notfallbedarf für diese Art Überwachung gibt, glaube ich nicht, dass die USA Anrufe oder E-Mails von befreundeten Präsidenten und Premierministern überwachen sollten“, sagte Feinstein nun. „Ich bin absolut dagegen.“
Vor der Stellungnahme war Feinsteins Ausschuss nicht öffentlich zur Überwachung ausländischer Staatenlenker informiert worden. „Nach meinem Verständnis wusste Präsident Obama nicht, dass die Kommunikation von Kanzlerin Merkel seit 2002 abgehört wurde“, sagte Feinstein. „Das ist ein großes Problem.“ Auch ihr Ausschuss sei nicht ausreichend informiert gewesen. Feinstein kündigte eine umfassende Untersuchung aller Geheimdienstprogramme an.
Die Senatorin sagte, das Weiße Haus habe ihr versprochen, die Überwachung von US-Verbündeten insgesamt einzustellen. Die Regierung widersprach dieser Darstellung zwar am Montagabend. Unter Berufung auf Regierungsbeamte berichteten allerdings mehrere Medien, dass Präsident Barack Obama sich auf einen solchen Schritt vorbereite. Es würde eine neue Definition der Frage erfordern, was einen US-Verbündeten ausmacht.
Obama selbst weigerte sich bei einem Fernsehauftritt, „über Verschlusssachen zu sprechen“. Er verwies auf die Untersuchung, die seine Regierung zu den NSA-Aktivitäten angeordnet hat; erste Ergebnisse werden im Dezember erwartet. Einen schwierigeren Stand hatte Obamas Sprecher Jay Carney in der täglichen Pressekonferenz. Er werde nicht in die Details spezifischer Operationen gehen, sagte Carney auf die Frage, was denn Merkels Mobiltelefon mit dem Anti-Terror-Kampf zu tun habe. „Wir sehen, dass wir zusätzliche Beschränkungen bei der Frage brauchen, wie wir Geheimdiensterkenntnisse gewinnen und verwenden.“
In den vergangenen Monaten haben viele Politiker die Sorge geäußert, dass ihre Gesetzgebung mit der technischen Entwicklung nicht Schritt gehalten hat. Die NSA wiederum wurde bislang nur kritisiert, wenn sie zu wenig wusste, nicht zu viel.
Mehrere US-Medien haben berichtet, dass Obama erst im Sommer von der Aktion gegen Merkel erfahren hat, auch wenn Carney das nicht bestätigte. Die „Washington Post“ zitierte am Dienstag Mitarbeiter, die sagten, der Präsident habe nach Enthüllungen über Spionage in Mexico und Brasilien genauere Informationen darüber verlangt, was die NSA in befreundeten Staaten unternimmt. Daraufhin unterrichteten ihn die Geheimdienste unter anderem über Spionage gegen rund 35 Regierungschefs.
Das Programm soll im Jahr 2002 begonnen haben. Das „Wall Street Journal“ hatte bereits am Sonntag gemeldet, Obama habe die Maßnahmen gegen Merkel im Sommer unterbunden.
Im August hatte der Präsident bekannt gegeben, dass ein externes Team die Praktiken der NSA auf den Prüfstand stellen soll. Es besteht größtenteils aus ehemaligen Mitarbeitern der Regierungen Clinton, Bush und Obama. Ein öffentlicher Bericht wird Mitte Dezember erwartet. Ein internes Gremium soll dann über die Umsetzung beraten. Dabei geht es möglicherweise auch um die Struktur der NSA. Die Dienstzeit der derzeitigen Doppelspitze läuft in den kommenden Monaten aus.
Bislang stand der NSA traditionell ein Militär vor, sein Vize ist Zivilist. General Keith Alexander und sein Stellvertreter John Inglis wurden am Dienstag zu einer Anhörung im Repräsentantenhaus erwartet, gemeinsam mit dem Nationalen Geheimdienstdirektor James Clapper und Vize-Justizminister James Cole.
EU-Datenschutzreform
Peter Schaar, der Bundesdatenschutzbeauftragte, hat angesichts der NSA-Spähaffäre davor gewarnt, die geplante EU-Datenschutzreform zu verschleppen. Die Datenschutzgrundverordnung müsse noch vor den Europawahlen im Frühjahr 2014 verabschiedet werden, da nicht sicher sei, ob die neuen Parlaments- und Kommissionsmitglieder ein so ambitioniertes Reformvorhaben noch einmal beginnen würden. Schaar unterstützte die Forderung des Europäischen Parlaments, das SWIFT-Abkommen auszusetzen, das den USA zur Terrorabwehr Einblick in bestimmte europäische Kontodaten gewährt. Zudem müsse das Safe-Harbor-Abkommen neu verhandelt werden, das es US-Konzernen ermöglicht, Daten europäischer Nutzer im Ausland zu verarbeiten. Die USA müssten „verstehen, dass ihre wirtschaftliche Prosperität ein Stück davon abhängt, dass sie die Rechte der Bürgerinnen und Bürger anderer Staaten respektieren“, erklärte er. Europa solle sich nicht in die Rolle eines Bittstellers begeben, sondern versuchen, auf Augenhöhe zu kommen.
ONLINE-TIPP
Wie schützt der amerikanische Präsident seine Mobilkommunikation? Infos unter: www.mainpost.de/nsa