Fünf Jahre haben die Opfer im afrikanischen Sierra Leone auf diesen Tag gewartet. Am Donnerstagmittag war es dann so weit: Richard Lussick, Vorsitzender Richter des UN-Kriegsverbrechertribunals für Sierra Leone, verkündete das Urteil gegen den ehemaligen liberianischen Präsidenten Charles Taylor. Schuldig in allen elf Anklagepunkten: Mord, Folter, Vergewaltigung, sexuelle Versklavung, Einsatz von Kindersoldaten, Terrorisierung der Bevölkerung mit systematischen Verstümmelungen, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit – die Liste der Grausamkeiten ist unvorstellbar. Zehntausenden Einwohnern hackten die Soldaten der RUF-Befreiungsarmee Arme und Beine ab. Kannibalismus war an der Tagesordnung. Die Details haben fünf Jahre lang alle im Gerichtssaal erschüttert.
„Das Urteil ist ein Meilenstein in der Geschichte der Internationalen Justiz“, sagte die frühere Generalsekretärin der deutschen Sektion von amnesty international und heutige Europaabgeordnete der Grünen, Barbara Lochbihler. Tatsächlich ist es der erste Schuldspruch gegen einen früheren afrikanischen Machthaber. Und das letzte Verfahren dieses Gerichtshofes, der nach der Verkündigung des Strafmaßes am 30. Mai aufgelöst wird.
„Er hat meine Mutter getötet“
Die Geschichte dieses Prozesses führt zurück in die dunkle Zeit der afrikanischen Bürgerkriege der Jahre 1991 bis 2002. Der Baptistenprediger Charles Taylor, heute 64 Jahre alt, scharte Anfang der 90er Jahre Rebellen um sich, stürzte die Regierung Liberias, wurde 1997 selbst zum Präsidenten gewählt. Auf seinen Wahlplakaten stand: „Er hat meine Mutter getötet, er hat meinen Vater getötet, aber ich stimme trotzdem für ihn.“ Von Monrovia aus stattete er die RUF-Rebellentruppe im benachbarten Sierra Leone mit Geld und Waffen aus. Die zogen marodierend über das Land, mordeten, verstümmelten, versklavten. Der „Schlächter von Afrika“ erhielt als Gegenleistung „Blutdiamanten“, mit denen er Millionen machte. Einige verschenkte er, auch an das international bekannte Fotomodell Naomi Campbell. Sie musste in Den Haag aussagen, nachdem Schauspielerkollegin Mia Farrow sie belastet hatte.
Morde und Vergewaltigungen
Die Aussage Campbells wurde typisch für das Verfahren: Sie könne nicht mit Sicherheit sagen, ob die Diamanten, die sie abends im Hotelzimmer als Geschenk vorgefunden habe, von Taylor stammten, gab sie zu Protokoll. „Das Problem war, dass die passenden Dokumente fehlten“, sagt Harman van der Wilt, Professor für Völkerstrafrecht an der Universität Amsterdam. „Die Verteidigung hat die Straftaten sogar zugegeben“, erzählt Alpha Sesay, der für die Menschenrechtsorganisation „Open Society Justice Initiative“ in Sierra Leone arbeitet und den Prozess vor Ort beobachtete. Aber die Anklage habe sich schwergetan, alle diese Verbrechen Taylor persönlich zuzuordnen. Afrikanische Diktatoren verfassen Mord- und Vergewaltigungsbefehle eben nicht schriftlich.
„Ein gläubiger Christ“
Der Angeklagte selbst gab sich stets als biederer Staatsmann und „gläubiger Christ“. Ein ums andere Mal klagte er, im Gerichtssaal würden „Lügen, Lügen, nur Lügen“ verbreitet. Das Gericht glaubte ihm nicht.
Taylor wird nach der Verkündung des Strafmaßes nach Großbritannien gebracht, wo er inhaftiert bleibt. Die Emotionen in den beiden afrikanischen Ländern Sierra Leone und Liberia kochen weiter hoch. Dort wurde das Urteil auf großen Leinwänden übertragen.
„Die rechtliche Aufarbeitung der Kriegsverbrechen ist wichtig für die Gesellschaften Sierra Leones und Liberias“, ist sich Barbara Lochbihler sicher. „Sie signalisiert, dass Menschenrechtsverletzungen auch in Zukunft strafrechtlich geahndet werden.“