Am Donnerstag wählen die Briten nicht nur ein neues Parlament, sie stimmen auch über die Richtung ab, in die das Vereinigte Königreich innerhalb Europas gehen soll. Umso überraschender erscheint es, dass das Europa-Thema von der politischen Agenda weitgehend verschwunden ist.

Dabei hat der amtierende Premierminister David Cameron von den konservativen Tories für den Fall einer Wiederwahl versprochen, die Briten im Jahr 2017 über die Mitgliedschaft entscheiden zu lassen. „Das britische Volk verdient ein Referendum darüber, ob es in einer reformierten Europäischen Union bleiben oder sie verlassen soll“, sagte er vergangene Woche. Der Oppositionsführer der Labour-Partei, Ed Miliband, hat sich dagegen klar gegen einen Volksentscheid ausgesprochen.

Wäre bei einem Sieg der Sozialdemokraten Großbritanniens Verbleib in der EU wirklich gesichert? Zahlreiche Experten verneinen diese Frage. Robin Niblett, Chef der renommierten Londoner Politik-Denkfabrik Chatham House, ist überzeugt: „Ein Volksentscheid in den nächsten zehn bis 15 Jahren ist unausweichlich.“ Auch Simon Hix, Professor für Europapolitik an der London School of Economics and Politics (LSE), hält es für einen Trugschluss, dass mit einem Labour-Wahlsieg das „Brexit“-Szenario vom Tisch wäre. Es gebe auch innerhalb der Sozialdemokraten „keinen pro-europäischen Konsens“.

Im Zuwanderungsland Großbritannien ist Migration eines der Topthemen des Wahlkampfs. Zuwanderung wird von den derzeit noch regierenden Tories gegeißelt, ganz zu schweigen von der rechtspopulistischen Unabhängigkeitspartei Ukip unter ihrem Chef Nigel Farage.

Ein EU-Austritt könnte dem Land, Europas drittgrößter Volkswirtschaft, teuer zu stehen kommen. Mehr als die Hälfte aller britischen Exporte gehen in EU-Partnerstaaten. Mit einem Austritt aus dem Binnenmarkt verlören die Briten auch einen Teil der Handelsprivilegien.