Was bringt der Plan von Verkehrsminister Andreas Scheuer, das Ladenetz für Elektroautos mit zusätzlich einer Milliarde Euro aus dem Bundeshaushalt auszubauen? An zwei großen Gruppen der Bevölkerung droht der Vorstoß des CSU-Ministers vorbeizugehen. Mieter und Besitzer von Eigentumswohnungen würden von dem Geld kaum etwas haben. Grund ist das gültige Miet- und Wohneigentumsrecht, das bisher den Einbau von Ladeboxen erschwert bis unmöglich macht. In seltener Eintracht bewerten sowohl der Deutsche Mieterschutzbund als auch der Eigentümerverband Haus- und Grund Scheuers Plan mit großer Skepsis.
„Es gibt mehr offene Fragen als Antworten“, heißt es vom Mieterschutzbund. Denn die Mieter können ihren Vermieter nicht zwingen, in eine gemeinschaftlich genutzte Tiefgarage eines Mehrfamilienhauses Ladepunkte für Elektrowagen einzubauen. Ohne die Zustimmung des Hausbesitzers dürfen die Mieter laut Schutzbund auch nicht allein tätig werden, selbst wenn sie mehrere Tausend Euro investieren wollten.
In Immobilen mit mehreren Eigentumswohnungen ist die Lage nicht einfacher. „In der Regel besteht das Problem, dass Gemeinschaftsflächen wie Keller und Garagen allen Eigentümern gehören“, erklärt Julia Wagner, Rechtsreferentin bei Haus und Grund. Dem Einbau von E-Tankstellen müsse mindestens die große Mehrheit der Eigentümer von 75 Prozent zustimmen oder sogar alle Parteien. „Die Rechtsprechung ist hier nicht einheitlich. In Mehrfamilienhäusern ist es generell schwierig“, sagt Wagner.
Zuschuss von 3000 Euro
Scheuers Vorschlag nützt daher viel eher Eigenheimbesitzern und Unternehmen. Erstere können selbst entscheiden, ob sie sich ein Elektroauto samt Ladestation anschaffen wollen. Von Letzteren verfügen nicht wenige über Firmenparkplätze, die sich als Tankstelle für Akku-Autos anbieten. Der CSU-Politiker plant, dass der Staat künftig die Hälfte der dafür nötigen Investitionen übernimmt. Eine normale Ladesäule mit zwei Ladepunkten würde nach dem Ansatz des Ministers mit 3000 Euro bezuschusst, Schnellladestationen mit mehreren Anschlüssen bekämen maximal 30 000 Euro an Subventionen.
Bei seinem neuen Säulenprogramm hat der Verkehrsminister die Rechnung aber ohne die SPD gemacht. Zwar hat sich auch Finanzminister Olaf Scholz für die Verlängerung der staatlichen Kaufprämie für E-Autos und für den Aufbau eines Ladenetzes ausgesprochen, den SPD-Chefhaushälter Johannes Kahrs überzeugt das noch nicht. „Herr Scheuer hat gerade den Eckwerten des Haushalts im Kabinett zugestimmt. Da steht das nicht drin“, sagte Kahrs unserer Redaktion. „Sich einfach nur hinzustellen und sich zu äußern, nachdem man etwas beschlossen hat, ist komisch.“ Scheuer könne seine Idee umsetzen, müsse sie aber aus dem Budget seines Ministeriums finanzieren. Kahrs verweist darauf, dass der Minister bereits mehr Geld für die Deutsche Bahn verlangt und die Union zusätzliche Milliarden in die ramponierte Bundeswehr stecken will.
15 500 Ladepunkte
Scheuers Milliarde wäre eine deutliche Aufstockung der 2016 beschlossenen Anschubförderung für das Ladenetz, die 300 Millionen Euro umfasst. Nach zähem Start wurden bis Ende des vergangenen Jahres rund 15 500 Ladepunkte mit 77 Millionen Euro gefördert. Nach einem dritten Förderaufruf gingen Anträge für 11 000 weitere Ladepunkte mit einem Fördervolumen von 118 Millionen Euro ein. Antragsteller waren große Energieversorger, Stadtwerke, Kommunen, Unternehmen und Private. An den meisten Spezial-Ladesäulen laden E-Autos um ein Vielfaches schneller als an einem Hausanschluss.
Ohne eine Änderung des Miet- und Wohneigentumsrechts können Mieter und Besitzer von Eigentumswohnungen kaum in den Genuss der Unterstützung kommen. Justizministerin Katarina Barley versprach am Montag, die Gesetze so schnell wie möglich zu ändern.