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KAIRO
Scharfe Kritik an Todesurteil für Mursi
Todesurteil: Menschenrechtler werten das Verfahren gegen den ehemaligen ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi und mehr als 100 politische Weggefährten als Farce.
Foto: Namir Galal, dpa | Todesurteil: Menschenrechtler werten das Verfahren gegen den ehemaligen ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi und mehr als 100 politische Weggefährten als Farce.
Martin Gehlen
 |  aktualisiert: 17.05.2015 19:38 Uhr

Das Todesurteil gegen den vom Militär gestürzten islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi und 105 Mitangeklagte hat international scharfe Kritik ausgelöst. „Wir sind tief besorgt“, erklärte ein Sprecher des US-Außenministeriums und kritisierte erneut „die Praxis von Massenprozessen und Massenurteilen, die unvereinbar sind mit Ägyptens internationalen Verpflichtungen und einem Rechtsstaat“.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier verlangte eine Überprüfung, ob der Richterspruch nach Recht und Gesetz gefallen sei. „Für uns ist das in Deutschland eine Form der Strafe, die wir kategorisch ablehnen“, sagte er in der jordanischen Hauptstadt Amman. Amnesty International nannte den Prozess „grotesk unfair“ und den Richterspruch einen Beleg für „den kläglichen Zustand der Strafjustiz im Land“. Die Todesstrafe sei zum Lieblingswerkzeug der ägyptischen Mächtigen geworden, um die politische Opposition zu eliminieren.

„Für uns ist das in Deutschland eine Form der Strafe, die wir kategorisch ablehnen.“
Frank-Walter Steinmeier (SPD), Außenminister

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan kritisierte, Ägypten kehre zu alten Zeiten zurück, und warf den westlichen Staaten vor, den Militärputsch von Ex-Feldmarschall Abdel Fattah al-Sisi zu ignorieren. Nach ägyptischem Recht müssen die von dem Gericht vorgesehenen Todesurteile jetzt dem ägyptischen Obermufti vorgelegt werden, der als Scharia-Experte ein Beratungsrecht hat. Das endgültige Verdikt soll dann am 2. Juni verkündigt werden. Es kann in einem Revisionsprozess angefochten werden.

Das Gericht warf den Angeklagten vor, die zu Beginn des Arabischen Frühlings vorübergehend festgenommen worden waren, zusammen mit rund 20 000 Kriminellen am 28. Januar 2011 aus dem Gefängnis ausgebrochen zu sein. Mubarak hatte damals gezielt das Wachpersonal abgezogen und die gesamte Polizei von den Straßen beordert, um Chaos zu säen und seine aufständische Bevölkerung einzuschüchtern.

Sollte das endgültige Todesurteil gegen Mohamed Mursi am 2. Juni verkündet werden, wäre das einen Tag vor dem Staatsbesuch von Präsident Sissi in Deutschland. Die heikle Reise, für die die ägyptische Führung monatelang antichambriert hat, ist im politischen Berlin schon jetzt wegen der unverändert krassen Menschenrechtsverstöße des Regimes umstritten. Das Mursi-Todesurteil wird die innenpolitischen Spannungen in Ägypten weiter verschärfen. In den ersten drei Monaten 2015 erlebte das Land genauso viele Anschläge wie im gesamten Jahr 2014. Am Samstag erschossen Terroristen auf dem Sinai zwei Richter und einen Staatsanwalt, die sich in El-Arish auf dem Weg zum Gericht befanden.

Am Sonntag ließ die Justiz in Kairo sechs Männer hinrichten, die von einem Militärgericht zum Tode verurteilt worden waren, obwohl zwei von ihnen zum Zeitpunkt der ihnen zur Last gelegten Terrortaten im Gefängnis saßen. Die bizarre Härte des Mursi-Urteils und der endgültige Verkündigungstermin 24 Stunden vor Sissis geplantem Deutschlandbesuch deuten aber auch darauf hin, dass sich die Konflikte innerhalb des Machtkartells von Kairo verschärfen. Denn mit ihrem Agieren untergräbt die Justiz demonstrativ die Bemühungen Sissis, Ägypten in Europa wieder salonfähig zu machen. Auch hat der Präsident inzwischen in zahlreichen Interviews versprochen, sich für die Haftentlassung junger Demokratieaktivisten einzusetzen, ohne dass tatsächlich etwas geschieht. Zudem häufen sich in letzter Zeit in auffälliger Weise polizeikritische Berichte in der bislang handzahmen und regimetreuen Presse.

 
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