Für den Gast aus Berlin mobilisiert die griechische Regierung ihren gesamten Sicherheitsapparat. Sogar das Demonstrationsrecht, eine der wichtigsten Errungenschaften der Demokratie, wird für die Dauer des Besuchs von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in Athen suspendiert.
Wolfgang Schäuble konnte zufrieden sein, als er am Donnerstagvormittag auf dem Athener Flughafen Eleftherios Venizelos landete. In der Nacht zuvor hatte sich das griechische Parlament mehrheitlich dem Ultimatum der Euro-Finanzminister gebeugt und die umstrittenen Massenentlassungen im öffentlichen Dienst gebilligt – obwohl auch viele Regierungsabgeordnete wenig Sinn darin erkennen können, angesichts einer Arbeitslosenquote von 27 Prozent jetzt auch noch Zehntausende Staatsdiener zu feuern.
Doch mit der Abstimmung hat der konservative Ministerpräsident Antonis Samaras eine wichtige Hürde genommen. Die Erleichterung war ihm anzumerken, als er am Donnerstagmittag Schäuble in der Villa Maximos, seinem Amtssitz an der Herodes-Attikus-Straße, begrüßte.
Die Vögel zwitscherten, der Wind rauschte in den Bäumen des gegenüberliegenden Nationalgartens. Schäuble konnte seine kurze Athen-Visite in friedlicher Stimmung genießen. Keine lautstarken Sprechchöre oder feindselige Spruchbänder störten den Besucher.
Schon als der Regierungsjet des Ministers am Morgen in Berlin startete, war das Demonstrationsverbot in Kraft getreten. Die Regierung habe „Schäuble zuliebe das Kriegsrecht verhängt“, schrieb die Zeitung „Ellada Avrio“. Das Timing dieses Besuchs zeugt tatsächlich nicht gerade von großer politischer Sensibilität. Wenige Stunden, nachdem das griechische Parlament mit der Verabschiedung des neuen Sparpakets die Vorgaben der Euro-Finanzminister fristgerecht erfüllt hat, kommt Schäuble zur Inspektion eingeflogen – so muss es zumindest vielen Griechen erscheinen.
Schäuble, laut Umfragen in Griechenland der unbeliebteste ausländische Politiker nach Angela Merkel, setzt jedoch alles daran, das Image des strengen Zuchtmeisters zu korrigieren und als verständnisvoller, gütiger Partner aufzutreten. Er gibt sich große Mühe, den richtigen Ton zu treffen. Der Minister lobt, aber er mahnt auch. Von „großen Fortschritten“ Griechenlands spricht er bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach der Ankunft vor Mitgliedern der Deutsch-Griechischen Handelskammer.
Anerkennend erwähnt er die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Landes, abzulesen an den um 30 Prozent gesunkenen Lohnstückkosten. Die Euro-Krise sei zwar „noch nicht vorbei“, sagt Schäuble, „aber wir haben das Schlimmste hinter uns“. Er wisse, dass dies „harte Zeiten“ für Griechenland seien, „aber es gibt keinen anderen Weg, es gibt keine bequeme Abkürzung“, mahnt der Minister. „Seite an Seite“ werde man nun daran arbeiten, Griechenland zum Wachstum zurückzuführen.
Eigentlich, so glaubt man aus der Rede herauszuhören, müssten die Griechen Schäuble doch dankbar sein für die strengen Sparauflagen. Sind sie aber nicht. „Heil Schäuble, die Todgeweihten grüßen Dich!“, titelte die Zeitung „Avgi“ unter Anspielung auf den Gruß römischer Gladiatoren. Das satirische Wochenblatt „Pontiki“ begrüßt Schäuble als „Terminator“, der mit seinem Rollstuhl rücksichtslos über griechische Staatsdiener hinwegrollt, die gefesselt am Boden liegen.
Am Mittag traf sich Schäuble hinter verschlossenen Türen in einem Sitzungssaal des Hilton Hotels mit griechischen und deutschen Wirtschaftsführern, um deren Sorgen anzuhören. Dazu gehört vor allem die Liquiditätsklemme, unter der fast alle griechischen Unternehmen leiden. Linderung soll die „Institution für Wachstum“ bringen, deren Konzept Schäuble in Athen erläuterte: Ein mit deutschen, griechischen und EU-Geldern ausgestatteter Fonds, eine Art Förderbank, die Klein- und Mittelbetrieben mit Krediten helfen soll, die sie bei den Geschäftsbanken gar nicht oder nur zu sehr hohen Zinsen bekommen.