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RIAD
Saudische Frauen wollen ans Steuer
Von unserem Korrespondenten Martin Gehlen
 |  aktualisiert: 24.10.2013 19:10 Uhr

Aziza al-Yousef weiß noch nicht, ob sie sich diesmal wieder ans Steuer wagt. „Mal sehen, ich warte erst einmal ab, wie sich der Tag entwickelt“, sagt die 54-Jährige. Beim letzten Aktionstag „Saudische Frauen ans Steuer“ vor gut zwei Jahren war sie noch voll dabei. 400 000 Klicks hatte das Youtube-Video von ihrem Ausflug im schwarzen Toyota Avalon – viel Beifall aus dem Cyberspace, aber auch Hunderte gehässige und bösartige Kommentare.

Auf allen Festen ihrer aufgeklärten Großfamilie war sie anschließend der Star. Die Mutter von fünf Kindern hat eine zupackende Ausstrahlung, besitzt einen Catering-Betrieb mit 19 Fahrzeugen und träumt immer noch von Ausflügen im eigenen Volkswagen Beetle mit Perlmutt-Lackierung. Doch auch in den letzten beiden Jahren hat sich dazu nichts bewegt. Frauen haben am Lenkrad nichts zu suchen, heißt seit Jahrzehnten im Königreich Saudi-Arabien die harsche Linie der erzkonservativen Kleriker- und Männerwelt.

Diesmal ist die Stimmung vor dem neuen Aktionstag am kommenden Samstag auffällig gereizt. Das saudische Innenministerium warnte vor einer „Störung des öffentlichen Friedens, die Tür und Tor für Gotteslästerung und Eindringlinge mit kranken Träumen öffnen“ könnte. 200 erzkonservative Kleriker, die das weibliche Aufbegehren für eine Verschwörung der USA halten, zogen aus Protest vor den Königspalast in der Hafenstadt Jedda.

Die zornigen Aktivistinnen dagegen appellierten über Facebook an alle Mitstreiterinnen, das grüne Ampellogo an ihre Autos zu kleben und am 26. Oktober selbst zu lenken. Per Gesetz ist Autofahren für Frauen in Saudi-Arabien nicht verboten, die Hardliner jedoch berufen sich auf einen ominösen „sozialen Konsens“. Und so fordern die Frauen auf ihrer Facebook-Seite endlich eine klare rechtliche Grundlage, die sich dann auch vor Gericht anfechten ließe. Ansonsten wollen sie ihren Autotag künftig jeden Monat wiederholen.

Saudi-Arabiens Herrscherfamilie machen nicht nur solche Reformforderungen im Inneren nervös, auch außenpolitisch häufen sich die Frustrationen. Seit gut einem Jahr läuft eine harte Prozess- und Inhaftierungswelle gegen einheimische Menschenrechtler. Die chronische Unruhe der schiitischen Minderheit im ölreichen Osten des Landes entlädt sich immer öfter in Gewalttaten. Herrscher Abdullah ist ein Greis, die Gesundheit des bald 90-jährigen Monarchen angeschlagen.

Nach seinem Tod drohen Saudi-Arabien verbissene Thronfolgekämpfe zwischen den Oberhäuptern der 34 Familienclans, die sich alle auf Söhne des Staatsgründers Abdul Aziz zurückführen. Außenpolitisch ist Riad die Annäherung zwischen den Vereinigten Staaten und dem Iran ein Dorn im Auge.

Frustriert schlug das Königreich letzte Woche einen Sitz im UN-Sicherheitsrat aus, weil die USA nach dem Giftgaseinsatz durch Baschar al-Assads Streitkräfte im letzten Moment doch noch einen militärischen Rückzieher machten.

Und so stagniert die Entwicklung in dem superreichen Öl-Staat. Ein Drittel der neun Millionen Gastarbeiter sind als Chauffeure nur deshalb im Land unterwegs, weil Frauen nicht ans Steuer dürfen – für viele Familien ein finanzieller Aderlass, da praktisch kein öffentlicher Nahverkehr existiert. „Mein Gehalt beträgt 690 Euro, der Fahrer allein kostet mich 230 Euro“, klagte eine geschiedene, berufstätige Mutter auf Facebook.

Eine der Initiatorinnen, Madeha Al-Ajroush, war schon beim ersten Frauenfahren 1990 dabei. Die heute 59-jährige Psychologin hat ihr Aufbegehren damals mit Todesdrohungen und langjähriger Ächtung teuer bezahlt. Zum 26. Oktober stellte sie nun ein weiteres Video am Lenkrad ins Netz: „Wie lange sollen wir noch eine Gesellschaft ertragen, die uns unsere vollen Rechte vorenthält“, fragt sie in die Kamera. „Ich bin bereits 1990 gefahren, und heute, 23 Jahre später, stehen unsere Rechte immer noch aus. Wie lange sollen wir noch warten?“

 
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