Eigentlich sollte der Ölgipfel in Doha ein Meilenstein werden. Zum ersten Mal seit 15 Jahren saßen am Wochenende wieder Minister von Opec und Nicht-Opec zusammen, um den katastrophalen Preisverfall durch eine Drosselung der Weltproduktion zu stoppen. Das Treffen schien auf gutem Wege, bis Vizekronprinz Mohammed bin Salman kurz vorher per Interview alles zum Einsturz brachte.
Sollten sich die Ölstaaten auf eine Fixierung der Fördermengen einigen, ließ der 30-jährige Verteidigungsminister wissen, müssten alle unterschreiben – eine überraschende Bedingung, die vor allem auf den Erzrivalen Iran zielte. „Einige Länder haben ihren Standpunkt in letzter Minute geändert, nachdem sie zuvor dem Entwurf des Memorandums zugestimmt hatten“, klagte enttäuscht Russlands Energieminister Alexander Novak. „Die saudische Ölpolitik ist extrem politisiert“, sekundierte Amrita Sen von der Londoner Analysefirma „Energy Aspects“.
Irans Förderung war durch die westlichen Sanktionen jahrelang stark eingeschränkt, während die Saudis stets aus vollen Rohren pumpten. Für seine wirtschaftliche Erholung braucht die Islamische Republik jetzt jeden Dollar – eine Kappung der langsam wieder hochfahrenden Produktion käme einer „freiwilligen Selbstsanktionierung“ gleich, wie Ölminister Bijan Zanganeh formulierte. Den Iranern eine Ausnahme zu gewähren, bis sie wieder auf ihrem Vier-Millionen-Barrel-Niveau vor den Atomboykott angekommen sind, das kommt für die Führung in Riad nicht infrage.
Mehr als drei Jahrzehnte dauert der Kalte Krieg nun schon zwischen dem Königreich und der Islamischen Republik. Iran fühlt sich als persisch-schiitische Schutzmacht in der Region, Saudi-Arabien als Hüter der heiligsten Stätten des Islam, Mekka und Medina, und damit als wichtigstes Zentrum des sunnitisch-arabischen Islam. Mit dem Atomvertrag jedoch werden die Karten am Golf neu gemischt. Iran entwickelt sich wieder zu einer gefragten Adresse im Nahen und Mittleren Osten. Seine Zivilgesellschaft ist den arabischen Kontrahenten klar überlegen.
Egal ob bei Bildung und Kultur, Literatur und Film, Wissenschaft und Universitäten, sozialem Engagement, Arbeitsmoral oder intellektueller Dynamik – es liegen Welten zwischen den Gegenübern am Persischen Golf. Entsprechend gespannt und gereizt ist das Verhältnis der beiden Rivalen. In den Bürgerkriegen von Jemen und Syrien, aber auch in den innerlibanesischen und innerirakischen Machtkämpfen stehen sie sich Auge in Auge gegenüber. Iran fühlt sich durch die saudische Hinrichtung des schiitischen Predigers Nimr al-Nimr provoziert.
Über 460 iranische Pilger starben im letzten September beim Hadsch in einer Massenpanik, eine Katastrophe, die die Verantwortlichen in Mekka bis heute nach Kräften verschleiern. Umgekehrt brach Saudi-Arabien im Januar die diplomatischen Beziehungen zur Islamischen Republik ab, nachdem ein Mob seine Botschaft in Teheran und sein Konsulat in Maschad mit Brandsätzen angriff. Alle Flugverbindungen und Handelsbeziehungen sind seitdem gekappt.
Das Königshaus macht für diese Eskalation vor seiner Haustüre vor allem einen Mann verantwortlich – US-Präsident Barack Obama, der am Mittwoch zum Abschiedsbesuch nach Riad reist und sich am Donnerstag auf dem Gipfel der Golfstaaten angesagt hat. Obama ebnete dem Iran mit dem Atomvertrag den Weg zurück in die internationale Gemeinschaft, ein Schritt, der bei Saudi-Arabiens Führung eine tiefe Verbitterung auslöste. Doch zum Bruch mit dem mächtigen westlichen Verbündeten will man es nicht kommen lassen. Obamas Tage im Weißen Haus seien gezählt, heißt es dieser Tage in Riad. Und sein Nachfolger könnte Saudi-Arabien wieder besser behandeln.