Die Fernsehköchin und Unternehmerin Sarah Wiener (56) geht in die Politik und kandidiert für die österreichischen Grünen bei der Europawahl im Mai. Ein Gespräch über den Vormarsch der Rechtspopulisten, die richtige Ernährung und Nachhaltigkeit.
Sarah Wiener: Für mich ist das kein großer Wechsel. Ich setze mich aus Eigenantrieb schon lange für eine Ernährungswende, für bessere Lebensmittel und eine nachhaltige Landwirtschaft ein. Als mich die österreichischen Grünen gefragt haben, ob ich für sie im EU-Parlament kandidieren möchte, war für mich schnell klar, dass ich Ja sage. Ich bin überzeugt, die Zivilgesellschaft sollte sich politisch mehr engagieren und sich nicht nur von Berufspolitikern regieren lassen.
Wiener: Im Gegenteil. Das bestärkt mich in meinen Überzeugungen. Viele Menschen machen sich genauso wie ich Sorgen über den Rechtsruck in unserer Gesellschaft und den Verfall demokratischer Werte wie Menschenrechte und Meinungsfreiheit. In der nächsten Legislaturperiode soll es doppelt so viele Rechtspopulisten geben wie bisher. Sie haben auf ihrer Agenda stehen, das europäische Miteinander zu zerstören. Sie schüren die Ängste der Menschen. Dazu braucht es dringend ein Gegengewicht. Das kann nur aus der Gesellschaft kommen, von uns selbst.
Wiener: In der Agrar- und Nahrungsmittelindustrie läuft vieles falsch. Das, was uns heute auf dem Teller serviert wird, wird von wenigen global agierenden Monopolisten produziert. Diese Konzerne haben nicht unsere Gesundheit oder Nachhaltigkeit im Sinn, sondern es geht ihnen nur um Gewinnmaximierung. Die Menschheit kämpft mit massiven Existenzproblemen in Form der Klimakatastrophe und der Vernichtung von Biodiversität. Wir sind Teil der Natur und sollten die Natur schützen, weil wir sonst mit ihr untergehen werden. Das empört mich. Ohne gesunde Böden, Essen, reines Wasser und ohne ein verträgliches Klima, werden wir nichts sein.
Wiener: Es schreckt mich schon ab, weil ich glaube, dass Politiker mit diesem Verhalten den Menschen ein schlechtes Vorbild sind. Man sieht das ja überall, besonders in den Sozialen Netzwerken. Manche Menschen versuchen, demokratische Werte zu zerstören und einzelne Personen zu beschimpfen. Da würde ich mir schon wünschen, dass wir als Mehrheit aufstehen und sagen „So nicht, Freundchen!“ Doch wenn es nur darum geht, im Wahlkampf den politischen Gegner in drei Sätzen niederzubrüllen oder ihm Vorwürfe an den Kopf zu knallen, wird das keine Probleme lösen.
Wiener: Ernährung hat sich mittlerweile zu einer Ersatzreligion entwickelt und zu einem Mittel, um sich von anderen abzugrenzen. Heutzutage kann man sich nicht mehr durch ein Statussymbol definieren, wie vor 30 Jahren mit einem fetten Auto.
Wiener: Wir leben in einer Gesellschaft mit einem Überfluss an Essen. Die Nahrungsmittelindustrie will uns immer mehr Kalorien in den Hals stopfen, um immer mehr Gewinn zu machen. Wir essen zum großen Teil nicht natürlich und haben den Bezug zu Lebensmitteln verloren.
Wiener: Ich denke schon. Bis vor ein paar Jahrzehnten war das ja ganz normal, dass Menschen ihre Hühner selbst geschlachtet haben. Daran merkt man auch, wie pervers unser Nahrungsmittelsystem heute ist.
Wiener: Das Fleisch darf nicht mehr als Tier erkennbar sein. Das ist sonst ekelig. Wir können es nicht ertragen, wenn man ein Auge, eine Sehne oder eine Kralle sieht. Doch eigentlich kann man erst am ganzen Tier die Frische und Qualität erkennen. Nur dann sieht man, wie gut oder schlecht es ihm vor der Schlachtung ging und ob es gut gehalten wurde. Das ist doch eine moralische Frage. Wenn ich ein Tier essen will, sollte ich mir auch die Hände dafür blutig machen können? Ja, aber hallo!
Wiener: Sie sollte ermöglichen, dass wir alle nachhaltig, vielfältig und frisch essen können. Die Zukunft muss ökologisch sein, sonst werden wir keine haben. Unser Agrarsystem subventioniert vor allem die, die viel haben. Egal ob sie unsere Böden versauen, Tierleid verursachen und dem Klimaschutz nicht dienlich sind. Das ist doch ein Irrsinn und gehört geändert. Wir sind Teil der Natur und sollten daher natürlich essen.