EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso gab sich besonnen und zurückhaltend. „Alle politischen Kräfte Rumäniens sollten verantwortlich handeln“, hieß es in seiner Erklärung am gestrigen Abend. Er sei „besorgt“ über das Bild des Landes, das durch „die jüngsten politischen Ereignisse“ entstanden sei. Doch die diplomatischen Floskeln verhüllen nur unvollkommen, dass die EU vor einer echten Belastungsprobe steht: Am Montag hatte Barroso den rumänischen Ministerpräsidenten Victor Ponta zum Rapport bestellt. Am Freitag letzter Woche seinen innenpolitischen Widersacher, den abgesetzten Staatspräsidenten Traian Basescu. Schon für diesen Vorgang sucht man in der EU-Geschichte vergeblich nach vergleichbaren Beispielen. Für die anmaßende Überheblichkeit, mit der die Regierung Ponta alle Mahnungen Brüssels in den Wind schlägt, auch.
„Bei uns führen verschiedene Cliquen einen Kampf auf Leben und Tod, um den Staat zu erobern und ihn zu plündern“, sagt die renommierte rumänische Politologin Alina Mungiu-Pippidi, die unter anderem als Anti-Korruptionsberaterin der EU-Kommission arbeitet. „Die politischen Parteien in unserer jungen Demokratie sind wie mittelalterliche Armeen, deren Rekruten nicht bezahlt werden und die nur von Raub und Eroberungen leben.“ Tatsächlich sind die Zustände unvorstellbar: Im Juli ging ein von dem Drei-Parteien-Bündnis „Sozialliberale Koalition“ initiiertes Referendum für eine Absetzung Basescus daneben, weil sich nicht genügend Wählerinnen und Wähler beteiligt hatten. Daraufhin errechnete sich die Regierung die Zahl der Wahlberechtigten passend, erfand Tote und solche Bürger, denen man im Nachhinein die Stimme aberkannte.
Für die EU sei der Fall eine der wohl größten Herausforderungen seit dem Zusammenbruch des einstigen Ostblocks, heißt es in Brüssel. Barroso bemüht sich nach Kräften, die Streithähne zur Vernunft zu bringen. Bisher vergeblich. Vor allem der wendige Victor Ponta gelobt in Brüssel immer wieder Besserung, fährt dann nach Hause und betreibt dort die Zerschlagung demokratischer Institutionen mit einer Vehemenz, die vor einigen Wochen sogar den Präsidenten des nationalen Verfassungsgerichtes, Augustin Zegrean, die EU um Hilfe rufen ließ: „Die Regierung übt massiv Druck auf uns aus“, schrieb er.
Die EU-Kommission wittert den offenen Bruch europäischer Verträge, hat aber nur begrenzte Möglichkeiten, tätig zu werden. Und der Kreis der Staats- und Regierungschefs befand es bisher nicht für nötig, sich in dem Mitgliedsland einzumischen oder den Kollegen zur Ordnung zu rufen.