Victor Ponta gab sich einsichtig und reumütig. „Wenn irgendeine Entscheidung nicht europäischen Standards entsprechen sollte, dann werden wir sie zurücknehmen.“ Der rumänische Ministerpräsident war nicht zu Besuch in Brüssel, Kommissionspräsident José Manuel Barrosos hatte ihn zu sich zitiert.
Alarmiert von Meldungen über zumindest fragwürdige, undemokratische Praktiken in dem noch so jungen Mitgliedsland, wo der 40-jährige Sozialdemokrat zwar erst seit Mai regiert, aber doch mit einer Geschwindigkeit, die in der EU lange nicht wahrgenommen worden waren, den Staat zu seinen Gunsten umbaut. Auslöser der europäischen Sorge ist der Versuch Victor Pontas, den christdemokratischen Staatspräsidenten Traian Basescu aus dem Amt zu ekeln.
Genauso schwer wiegen aber auch die Beschlüsse, mit der die eben erst unabhängig gewordene Justiz des Landes offenbar wieder an die staatliche Leine gelegt werden soll. „Ich habe meine Sorge über die jüngsten Ereignisse nicht verhehlt“, erklärte der Präsident des Europäischen Parlamentes am Mittwochabend nach einem Gespräch mit seinem Parteifreund Ponta. „Wichtige Gesetze sollten nicht durch Notverordnungen, sondern nur durch einen demokratischen Prozess geändert werden.“
Grundprinzipien der Demokratie
In der Kommission sieht man das anders. Barrosos Stellvertreterin Viviane Reding malte bereits aus, mit welchen Sanktionen Rumänien rechnen müsse, wenn es weiter an den Grundprinzipien der Demokratie rüttelt. Urteile rumänischer Gerichte würden nicht mehr anerkannt, die Sonderkontrollen der Kommission zur Feststellung der Rechtsstaatlichkeit noch jahrelang fortgesetzt.
Und außerdem müsse das Land damit rechnen, dass die Innenminister den eigentlich schon beschlossenen Beitritt Bukarests zum Schengen-Raum samt dem ersehnten Wegfall der Personenkontrollen wieder zur Disposition stellen. Die Drohung saß.
Es sei „nicht fair, eine Verbindung zu unserem Beitritt zum Schengen-Raum herzustellen“, konterte Ponta, der vor wenigen Wochen des Plagiats überführt wurde, seinen Doktortitel verlor und daraufhin Straffreiheit für amtierende Mandatsträger durchsetzte. Es war der Anfang einer Regierung, die per Notverordnungen – oftmals innerhalb von Tagen – ihre Macht zu festigen suchte.
„Umkehrung zur Diktatur“
Für Europa ist Rumänien nach den Auseinandersetzungen um Ungarn der zweite Fall, in dem ein neues Mitgliedsland sich praktisch wieder von der Demokratisierung verabschiedet und mit Zwangsmaßnahmen an seine vertraglichen Verpflichtungen erinnert werden muss. Budapests Premier Viktor Orban hatte sich genau wie Ponta in Brüssel stets reumütig und einsichtig gezeigt, sofortige Änderung aller umstrittenen Beschlüsse zugesichert – und dann weitergemacht wie bisher auch.
Die Parallelen der beiden Länder sind damit nicht zu Ende. Denn inzwischen hat auch Ponta in Bukarest das Wahlgesetz so geändert, dass seine Sozialdemokraten beim nächsten Urnengang im Herbst mit einer absoluten Mehrheit rechnen können. „Was hier stattfindet, ist nicht weniger als eine Umkehrung zur Diktatur“, sagte ein rumänischer Bürgerrechtler am Donnerstag in Brüssel. Ob es Barroso gelungen ist, diese Umkehrung im Gespräch mit Ponta zu stoppen, ist fraglich.