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BERLIN
Rufe nach Abschaffung des Betreuungsgeldes
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 |  aktualisiert: 28.07.2014 19:08 Uhr

Manuela Schwesig war noch nie eine Befürworterin des Betreuungsgeldes. Als Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern lehnte die stellvertretende SPD-Vorsitzende die von der schwarz-gelben Koalition auf Druck der CSU im Februar 2013 beschlossene neue familienpolitische Leistung kategorisch ab. Das Betreuungsgeld in Höhe von derzeit 100 Euro im Monat, das Eltern seit dem 1. August vergangenen Jahres erhalten, die ihr ein- bis dreijähriges Kind zu Hause erziehen statt in eine Kita zu geben, sei eine „kalte Fernhalteprämie“, die CSU wolle ein „altes Mann-Frau-Rollenmuster wiederbeleben und einzementieren“, das Geld „hält Kinder von frühkindlicher Bildung und Frauen von ihren Chancen auf dem Arbeitsmarkt fern“, wetterte die Sozialpolitikern im vergangenen Jahr.

Koalitionstreue

Nun ist Manuela Schwesig Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in der Koalition mit CDU und CSU und somit auch für das Betreuungsgeld verantwortlich, das ab 1. August auf 150 Euro pro Monat steigt. Doch von einer raschen Abschaffung will sie nichts wissen. „Wir halten uns an den Koalitionsvertrag“, lässt sie am Montag auf Nachfragen über eine Sprecherin ihres Hauses ausrichten. Zwar sei es kein Geheimnis, dass Schwesig dem Betreuungsgeld skeptisch gegenüberstehe, doch sie werde sich koalitionstreu verhalten. Über die Zukunft des Betreuungsgeldes werde ohnehin an anderer Stelle entschieden – in Karlsruhe. Vor dem Bundesverfassungsgericht ist seit dem Frühjahr 2013 eine Klage des Stadtstaates Hamburg anhängig.

Während sich Familienministerin Schwesig des Koalitionsfriedens wegen hinter dem Koalitionsvertrag versteckt, preschen andere Sozialdemokraten bereits vor und stellen das Betreuungsgeld offen infrage. „Die SPD ist bereit, das Betreuungsgeld sofort abzuschaffen“, sagt die stellvertretende Fraktionschefin Carola Reimann. Die auf diese Weise frei werdenden Mittel sollten so eingesetzt werden, dass sie direkt bei den Kindern ankommen.

Noch deutlicher wurden die Grünen. „Das Betreuungsgeld ist absoluter Unsinn“, sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. „Es setzt falsche Anreize und verhindert die frühkindliche Förderung.“ Sie stützten sich auf die am Wochenende bekanntgewordene Studie der Universität Dortmund und des Deutschen Jugendinstituts, wonach das vor einem Jahr eingeführte Betreuungsgeld vor allem Familien mit Migrationshintergrund und sozial schwache wie bildungsferne Eltern davon abhält, ihre Kleinkinder in eine Kita zu schicken und stattdessen das Bargeld zu nehmen. Auch die Arbeiterwohlfahrt Bayern forderte einen Stopp beim Betreuungsgeld. Ihr Landesvorsitzender Thomas Beyer: „Die Bundesregierung muss auf die geplante Erhöhung des Betreuungsgeldes verzichten und sollte das Geld stattdessen in die Qualitätssteigerung der Kitas investieren.“

„Schlag gegen Familien“

Bundesweit bezogen im ersten Quartal dieses Jahres nach Angaben des Statistischen Bundesamtes knapp 146 000 Mütter und Väter Betreuungsgeld für ihre Kinder zwischen dem 15. und dem 36. Monat, davon allein 33 000 in Bayern. Entsprechend lautstark verteidigte die CSU am Montag die Leistung und wies die Forderungen von SPD und Grünen entschieden zurück. „Die unsachliche Kritik am Betreuungsgeld ist ein Schlag gegen die Familien in unserem Land“, sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Es sei „ein fragwürdiges Menschenbild“, wenn man Eltern unterstelle, sie könnten ihre Kinder nicht richtig erziehen. Das Betreuungsgeld sei vielmehr ein Erfolgsmodell. Auffällig ist, dass Scheuer mit keinem Wort auf den Koalitionspartner SPD einging und diesen demonstrativ schonte, sondern sich nur mit den Grünen auseinandersetzte: „Wenn die Grünen den Eltern diese finanzielle Unterstützung wegnehmen wollen, kommt darin ihre familienfeindliche Haltung klar zum Ausdruck.“

 
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