(epd/dpa) Der kenianische Staatschef Uhuru Kenyatta muss sich nicht vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen Menschenrechtsverbrechen verantworten. Die Beweise gegen ihn reichten nicht aus, nachdem Kenias Regierung die Zusammenarbeit bei der Aufklärung weitgehend verweigert habe, sagte Chefanklägerin Fatou Bensouda am Freitag. Menschenrechtler reagierten enttäuscht.
Kenyatta äußerte sich zufrieden. Der Kenianer wäre der erste Staatschef gewesen, der sich vor dem seit 2002 arbeitenden Weltstrafgericht verantworten muss. Er sollte wegen blutiger Unruhen nach den Wahlen Ende 2007 angeklagt werden. Im Streit um das Wahlergebnis waren damals mehr als 1000 Menschen getötet und Hunderttausende vertrieben worden. Kenyatta soll zur Gewalt angestiftet haben. Er ist seit 2013 Präsident seines Landes.
Wurden Zeugen eingeschüchtert?
Zur Einstellung des Verfahrens sagte Kenyatta in Nairobi, die beim Internationalen Strafgerichtshof anhängigen Verfahren würden ohne ausreichende Untersuchung und überstürzt eingeleitet. Er deutete an, dass auch die beiden anderen Verfahren gegen Vizepräsident William Ruto und einen weiteren Kenianer wegen ähnlicher Vorwürfe bald eingestellt werden könnten. „Einer ist schon weg, zwei werden folgen“, sagte Kenyatta.
Die Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ äußerte sich enttäuscht. Die Entscheidung schwäche das Gericht. „Es ist eindeutig, dass eine lange Tradition der Straflosigkeit einen fairen Prozess ebenso behindert hat wie der auf Zeugen ausgeübte Druck“, sagte die zuständige Expertin der Organisation, Elizabeth Evenson, in New York. Gerade wegen der Hürden im Verfahren gegen Kenyatta hätte das Gericht dringend nach Wegen zur Strafverfolgung mächtiger Angeklagter suchen müssen. Mit der Entscheidung, das Verfahren gegen Kenyatta fallen zu lassen, reagierte Bensouda auf ein Ultimatum der Strafkammer in Den Haag, die zusätzliche Beweise bis Mitte kommender Woche gefordert hatte. In ihrer Begründung warf die Chefanklägerin Kenia vor, mit der Verweigerung von Auskünften seine Verpflichtungen nach dem Statut des Gerichts verletzt zu haben. Kenia gehört zu den 122 Staaten, die das Weltstrafgericht tragen. Zudem sei in kenianischen Medien gezielt Stimmung gegen das Gericht gemacht worden, sagte Bensouda. Einige Zeugen seien über soziale Netzwerke enttarnt, andere bedroht, schikaniert und eingeschüchtert worden.
Dass der Prozess geplatzt ist, gilt als schwerer Rückschlag für den Strafgerichtshof. Das Tribunal wird in Afrika stark kritisiert, da alle bisherigen Verfahren zu Verbrechen in Afrika eingeleitet wurden. Der Strafgerichtshof kann Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Mitgliedsländern verfolgen, wenn die nationalen Gerichte nicht dazu fähig oder willens sind. Die USA, China und Russland gehören dem Gericht nicht an.
Die Familie beherrscht Medien
Uhuru Kenyatta hat die Politik förmlich in die Wiege gelegt bekommen: Sein Vater Jomo Kenyatta war der Staatsgründer und erste Präsident der Republik Kenia nach der Unabhängigkeit 1963. Der Sohn ging auf die besten Schulen und wuchs in einem sehr privilegierten Umfeld auf. Der 53-Jährige ist Multimillionär, seine Familie beherrscht TV-Kanäle, Zeitungen und Radiostationen. „Uhuru“ ist das Swahili-Wort für „Freiheit“.
Kenyatta studierte Politikwissenschaften in den USA, bevor er in sein Heimatland zurückkehrte und 2001 einen Sitz im Parlament bekam. Bereits unter dem zweiten Präsidenten Daniel Arap Moi hatte er einen Ministerposten inne. Bei der Präsidentenwahl 2002 trat er als Spitzenkandidat der Kanu-Partei an, verlor aber gegen Oppositionsführer Mwai Kibaki.
Bei den von blutiger Gewalt geprägten Wahlen 2007 unterstützte Kenyatta eine erneute Kandidatur Kibakis. Beide gehören der Volksgruppe der Kikuyu an, der größten ethnischen Gruppe des Landes. Kenyatta wurde zum Vize-Premier ernannt und übernahm verschiedene Ministerposten in der Regierung.