Für die Republik Korea war der Montag ein geschichtsträchtiger Tag: Die konservative Politikerin Park Geun-hye der Saenuri-Partei wurde vereidigt und zieht in den südkoreanischen Präsidentenpalast Cheongwadae ein – der in Anlehnung an den Amtssitz des US-Präsidenten auch das „Blaue Haus“ genannt wird. Das Land bekommt zum ersten Mal in seiner Geschichte ein weibliches Staatsoberhaupt, das zudem seine Kindheit und Jugend im „Blauen Haus“ verbrachte.
Die 61-jährige Park Geun-hye ist die Tochter von Park Chung-hee, der von 1961 bis 1979 Südkorea als Militärdiktator regierte. Als Park Chung-hees Ehefrau Yuk Young-soo 1974 bei einem Anschlag, der ihrem Mann gegolten hatte, ums Leben kam, übernahm die damals 22-jährige Park Geun-hye die Rolle der First Lady. In Südkorea wird Park Geun-hye von vielen wegen ihrer Familiengeschichte als tragische Figur angesehen, denn auch Park Chun-hee fiel im Oktober 1979 einem Attentat zum Opfer.
Koreanisches Wirtschaftswunder
Dass ausgerechnet die Tochter des Diktators am 19. Dezember 2012 mit einer knappen Mehrheit von 51,55 Prozent die Präsidentschaftswahl gewann, wurde in Südkorea wesentlich weniger kontrovers diskutiert, als man es sich in Deutschland vorstellen mag – wo es undenkbar wäre, dass beispielsweise eine Honecker-Tochter ein politisches Amt anstreben könnte.
In Südkorea wird die Militärdiktatur Park Chung-hees nicht ausschließlich negativ gewertet, da Park als der Begründer des koreanischen Wirtschaftswunders gilt. Als Park Anfang der 1960er Jahre in Südkorea an die Macht kam, galt Nordkorea als der wirtschaftlich stärkere Akteur auf der koreanischen Halbinsel. Südkorea war ein Entwicklungsland, das sich erst zu einem Tigerstaat wandelte, als Park sich für eine exportorientierte Industrialisierung einsetzte.
Die politische Vergangenheit der Familie Park wurde im vergangenen Herbst im Wahlkampf von Park Geun-hyes Gegenkandidaten durchaus thematisiert. Um die Bedenken der Wähler auszuräumen, gab Park Geun-hye eine Erklärung ab, in der sie sich für Menschenrechtsverletzungen unter der Herrschaft ihres Vaters entschuldigte. Tatsächlich hat Parks familiärer Hintergrund ihr an der Wahlurne eher Stimmen eingebracht als Wähler verschreckt. In der patriarchalischen Gesellschaft Südkoreas überzeugte Parks langjährige politische Erfahrung und die Verbindung zu ihrem Vater vor allem konservative Männer, die ihre Stimme sonst nie einer Frau gegeben hätten.
Park Geun-hye übernimmt als Präsidentin auch alle Probleme, die durch die unbarmherzige Wirtschaftspolitik ihres Vaters und der folgenden demokratisch gewählten Regierungen verursacht wurden. Seit Jahrzehnten werden in Südkorea sozialpolitische Themen vernachlässigt. Mit dem rasanten wirtschaftlichen Aufstieg des Landes vergrößerte sich auch die Schere zwischen Arm und Reich. Südkorea hat eine der niedrigsten Geburtenraten in der OECD und die daraus folgende rapide Überalterung der Gesellschaft stellt Südkoreas ohnehin schon fragiles Sozialsystem vor große Herausforderungen.
Im konfuzianistisch geprägten Südkorea werden Karrierefrauen und berufstätige Mütter nach wie vor misstrauisch beäugt. Durch das stark wettbewerbsorientierte Bildungssystem Südkoreas ist es vielen jungen Müttern nicht möglich, weiterhin einem Beruf nachzugehen. Mütter schulpflichtiger Kinder sind oft derart vereinnahmt von der Koordination verschiedener schulischer und außerschulischer Aktivitäten, dass sie zu einer Art Ausbildungsmanager für ihre Kinder mutieren. Gerade jüngere Frauen setzen große Hoffnungen in das neue Staatsoberhaupt.
Harte Linie gegen Nordkorea
Internationale Beobachter interessieren sich eher für den Kurs, in Park Geun-hyes Nordkoreapolitik. Nordkoreas junger Machthaber Kim Jong-un sorgte in seiner Neujahrsansprache für große Überraschung, als er eine Aussöhnung der beiden Koreas in Aussicht stellte. Nordkoreas Atomtest vom 12. Februar spricht dagegen eine andere Sprache. Bisher deutet alles daraufhin, dass Park Geun-hye gegenüber Nordkorea die harte Linie der Vorgängerregierung unter Lee Myung-bak beibehält, zumal eine baldige Wiedervereinigung von weiten Teilen der südkoreanischen Bevölkerung nicht gewünscht wird. Dennoch fragen sich politische Beobachter, ob oder wann es zu einem persönlichen Treffen zwischen Park Geun-hye und Kim Jong-un kommen wird. Eine Gemeinsamkeit haben Park und Kim zumindest – für beide ist Politik auch Familiensache.