Sie wollten vor allem Einigkeit demonstrieren und ein Jahr vor der Bundestagswahl ihren Willen unter Beweis stellen, sich doch noch auf gemeinsame Projekte verständigen zu können. Für ihr Treffen am 4. November, der ersten Sitzung des Koalitionsausschusses seit dem Frühjahr, hatten sich die Parteichefs von CDU, CSU und FDP – Angela Merkel, Horst Seehofer und Philipp Rösler – vorgenommen, ein ganzes Bündel an Beschlüssen zu fassen, die die Bürger entlasten sollen. Schon machte in Berlin das spöttische Wort von der großen „Weihnachtsbescherung“ die Runde.
Doch genau zwei Wochen vor dem Spitzentreffen im Kanzleramt machte FDP-Chef und Vizekanzler Philipp Rösler nun überraschend einen dicken Strich durch diese Rechnung – und löste damit einen neuen schweren Koalitionskrach aus. In einem Interview mit der „Bild am Sonntag“ lehnte der Wirtschaftsminister kategorisch alle von der Union geplanten Großprojekte als viel zu teuer und wenig durchdacht ab und begründete sein Veto mit der angespannten Haushaltslage. „Wir erwarten nur wenig Wachstum im nächsten Jahr, mehr gibt die weltweite Entwicklung nicht her. Gerade deshalb kommt es darauf an, alles für die Stärkung unserer Wirtschaft und für die Arbeitsplätze zu tun. Das heißt: solide Haushalte.“
Besonders pikant daran ist, dass CDU-Chefin Angela Merkel mit genau der gleichen Begründung vor gut zwei Jahren, im Mai 2010, die Forderung der FDP nach einer grundlegenden und umfassenden Steuerreform zur Entlastung der Bürger in Bausch und Bogen abgeschmettert hatte. Das haben ihr die Liberalen bis heute nicht verziehen.
Das Nein der FDP zum Betreuungsgeld oder zur Zuschussrente kommt allerdings nicht überraschend, schon immer hatten die Freidemokraten in der Vergangenheit ihre Kritik an den beiden sozialpolitischen Maßnahmen geäußert. Allerdings wollten sie sich im Falle des Betreuungsgeldes für Mütter, die ihre Kinder zu Hause erziehen, an die Vereinbarung des Koalitionsvertrags halten und dem Lieblingsprojekt der CSU zustimmen. Nun aber stellte Philipp Rösler das Projekt wieder grundsätzlich in Frage. Auch die geplante Zuschussrente für Geringverdiener lehnte Rösler als „schädlich“ und „nicht finanzierbar“ ab. Dabei handele es sich um eine „Einheitsrente“ zu Lasten der Rentenkasse. Zudem forderte er die Abschaffung der Praxisgebühr, die Senkung der Stromsteuer sowie eine Reform der Ökostrom-Förderung.
Die Union zeigte sich völlig irritiert von der Blockadehaltung des Koalitionspartners und seinem Rundumschlag. Führende Christdemokraten mutmaßten, Rösler müsse im innerparteilichen Kampf um den Parteivorsitz Führungsstärke beweisen und der eigenen Basis beweisen, dass er tatsächlich „liefere“.